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Zum Tod von Wolf Schneider

Dafür, dass er mir nie begegnet ist, hat er mich doch erstaunlich oft gepackt, herausgefordert, nachdenklich gemacht: Wolf Schneider, der 97-jährig letzte Nacht verstorben ist.

Dass kein Text gut sei, unmittelbar nachdem man ihn niedergeschrieben habe, dass Qualität von Qual komme und dass sich immer einer quälen müsse – entweder der Autor oder der Leser – so etwas liest man und vergisst es nicht mehr.

In scheinbaren Widersprüchen verbarg sich seine Botschaft: Dass fesselnde Sprache von Assoziationen lebe, aber dass die im Deutschunterricht antrainierten Adjektive oft nur aufplusterten. Dass klare kurze Sätze (am besten gebildet aus kurzen Wörtern) und nicht elaboriertes Herumschweifen (sein Feindbild war Immanuel Kant) höchste sprachliche Vollendung seien. Dass Wiederholungen meide, wer sich auszudrücken weiß, dass aber auch die Vermeidung von Wortwiederholungen einen Text schlechter machen könne. Er lehrte nicht Patentrezepte, sondern souveränes Maßhalten.

Er war einerseits stilsicher und höflich, konnte aber andererseits unfassbar arrogant auftreten. Sein Grad an Selbstironie machte selbst dies wieder sympathisch.

Er wandte sich gegen unsinnige Anglizismen und betitelte sein Buch zu just diesem Thema „Speak German.“

Inhaltlich sei sie erbärmlich, vom journalistischen Handwerk her oft genial, hat er über die Bild-Zeitung gesagt.

Als „Glücksratgeber“ von Precht & Co. die Bestsellerlisten bestückten, ließ er mit einem dünnen Bändchen namens „Glück“ dieser Mode klug und ironisch die heiße Luft entweichen.

Selten wurde der schmalen Grat zwischen Erfolg und Versagen besser beschrieben, als in seinem Buch „Große Verlierer“ über Figuren wie Goliath, Wilhelm II, Rainer Barzel und Michail Gorbatschow.

Er hat die Gesellschaft für deutsche Sprache mitgegründet und gegen Rechtschreibreform und Gendern polemisiert, seine so gewonnen Fans im AfD-Umfeld dann aber mit einem aufrüttelnden Buch zur Klimakatastrophe („Denkt endlich an die Enkel“) maximal vor den Kopf gestoßen.

1925 geboren, ist er für mich so lange ich zurückdenken kann ein kluger alter Mann gewesen. Sein Tod berührt mich.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz