Ja, man sollte froh sein, wenn notwendige Entscheidungen endlich getroffen werden. Aber es fällt mir schwer, mich darüber zu freuen, dass der Kanzler endlich das Nötige tut und Verantwortung zeigt. Nicht nur, weil es verstolpert ist, irgendwelchen schwer nachvollziehbaren Dynamiken folgt und erkennbar keinem Plan.
Seit über zehn Monaten ist absolut klar, dass die russische aggressive Landnahme auf gar keinen Fall erfolgreich sein darf, wenn Frieden und Stabilität in Europa möglich bleiben sollen.
Seit über zehn Monaten sagt das auch der Kanzler. Aber er handelt nicht danach. Und ganz egal, ob die Gründe im Prinzip Hoffnung liegen (vielleicht dass Putin sich doch an den Verhandlungstisch bequemen werde, wenn man lieb zu ihm ist), oder ob man fürchtete, einem Teil der SPD zu viel Realitätssinn abzuverlangen – den Preis für dieses politische Versagen bezahlt die Ukraine durch unnötig lange Kämpfe, suboptimale Möglichkeiten die eigene Bevölkerung vor russischem Terror zu schützen und in Menschenleben. An dieser Stelle schäme ich ich für mein Land und seine Regierung.
Dass wir alle ökonomisch teuer dafür bezahlen, wenn der Krieg unnötig in die Länge gezogen wird, indem man versucht, die Ukraine nur knapp oberhalb der Besiegbarkeit zu halten, macht die „Strategie“ nicht rationaler.
Die Verlogenheit, sich selbstgerecht und arrogant als Musterschüler und internationaler Teamplayer aufzuspielen und gleichzeitig weder mit den Mittelosteuropäern, noch mit Frankreich verlässlich zusammenzuarbeiten, kommt noch hinzu.
Was die europäische Zusammenarbeit angeht, hatte ich große Hoffnungen in diese Bundesregierung gesetzt. Inzwischen kann ich bei Kontakten mit Freunden aus anderen europäischen Staaten kaum noch erklären, was „Deutschland“ veranstaltet.
