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Demokratisch streiten

Das Bild ist sehr eindeutig:120.000 CDU-Wähler in Niedersachsen aus dem Jahr 2017 sind bis 2022 gestorben, was Jungwähler nicht ausgleichen. 105.000 sind zuhause geblieben. 100.000 sind zur SPD gewechselt. Erst dann kommen mit großem Abstand die Bewegung hin zur AfD und der Versuch, die FDP zu retten.

Das bedeutet zum einen, als kleineren Koalitionspartner ereilt die CDU der Effekt, der in Koalitionen immer zu beobachten ist und von dem die Union oft auch profitiert: Für gute Regierungsarbeit wird vor allem die führende Partei belohnt. Wichtig hier: Der Versuch, die Landtagswahl bundespolitisch zu instrumentalisieren, zog nicht. So etwas ist blödsinnig, man sollte es einfach lassen.

Zum anderen: Offenbar gelang es nicht, Menschen zum Wählen der CDU zu motivieren, weil nicht klar war, wofür das gut sein soll. Es fehlte an Profil, an inhaltlichen Vorschlägen. Landespolitisch war man Teil der Regierung und in der schwierigen Lage, sich mit Kritik immer auch selbst anzugreifen.

Für das Image der Partei zählte aber dann doch der Gesamteindruck und damit auch die Bundespolitik. Zumindest sagen Wahlergebnisse immer auch etwas darüber aus, wie Parteien gesehen werden.

Die Bundesregierung ist so breit aufgestellt, dass sie erkennbare Schwierigkeiten hat, klare und überzeugende Konzepte zu präsentieren – wirtschaftspolitisch, energiepolitisch, außenpolitisch, klimapolitisch, sozialpolitisch, europapolitisch…. Eine riesige Chance für die CDU, durchdachte, schlüssige Ansätze als Kontrast anzubieten. Das Tor steht weit offen. Und die Union muss unter diesen Umständen die Nabelschau einstellen und in voller Breite glänzen. Mir scheint, es fehlt sogar schon an Versuchen, das zu tun.

Was nicht hilft, ist kleinkariertes Hickhack nach AfD-Manier. Ja, ein Energieminister Habeck muss Dinge tun, die die grüne Identität berühren. Ihn dafür mit Häme zu überschütten und gleichzeitig immer mehr zu fordern ist vieles, aber sicher nicht zielführend. Ja, die FDP ist strategisch in einer bescheidenen Lage, zerrissen zwischen der Notwendigkeit, die Bundesregierung handlungsfähig zu halten und der Notwendigkeit, der eigenen Klientel die eigene Politik zu vermitteln. Auch wenn ich Christian Lindner und sein altgescheites Gehabe unerträglich finde: Seine aktuellen Aufgaben zu bewältigen ist der helle Wahnsinn!

SPD, Grüne und FDP haben aus Verantwortungsbewusstsein heraus eine Regierung gebildet, während die Union unfähig dazu war. Die Koalition ist für alle drei Partner alles andere als einfach. Zusätzlich hat sie hat Schwierigkeiten zu bewältigen, wie sie noch keine Regierung vor ihr hatte. Wenn wir als Land halbwegs unbeschadet durch die aktuellen Turbulenzen kommen wollen, brauchen wir eine handlungsfähige Regierung.

Wer da primär inhaltlos auf diejenigen in der Verantwortung einprügelt, handelt verantwortungslos und wirkt im Ergebnis mit an der Diskreditierung und Beschädigung unserer Demokratie. In anderen Worten: Besorgt das Geschäft der AfD.

Die Probleme sind groß, Ideen sind gefragt. Dass der Kanzler nicht ausreichend führt und Minister hilflos agieren, kann überzeugend vertreten, wer demonstriert, dass es besser ginge. Es ist also viel zu tun. 

Quelle: Tagesschau
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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz