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Was Orban stark macht

Das „Europa-Magazin“ der ARD macht eine Reportage aus Budapest, um nachzufragen, wie Orbans Haushaltsblockade zuhause ankommt, wie die Sache in Ungarn diskutiert wird. Super Idee, spannend.

Aber wen holt man dann zuerst vor die Kamera, welchen Blickwinkel wählt man damit? Man spricht mit einer lesbischen Frau mit Kind aus künstlicher Befruchtung, lebend in einer rechtlich nicht anerkannten Partnerschaft. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Frau hat es sicher schwer. Und sie hat als EU-Bürgerin Rechte, die ihr Regierung, Parlament und eine politisch gesteuerte Justiz verweigern. Was eine inakzeptable Sauerei ist.

Aber hilft der Fokus auf dieses kleine gesellschaftliche Segment tatsächlich, das große Bild zu verstehen? Zu begreifen, wie Orbans Show ihm zuhause die Macht sichert? Und ist es klug, fortwährend das von Orban gepflegte Klischee zu bedienen, einer anonymen Brüsseler Bürokratie ginge es im Einklang mit einer weltweiten (jüdischen) „Hochfinanz“ nur darum, die Ungarn kulturell zu entwurzeln, ihnen eine „unnatürliche“ Lebensweise aufzuzwingen um sie so zu machtlosen, gefügigen, zwangsindividualisierten Befehlsempfängern zu machen?

Eine solche Reportage spielt dem Framing und der Propaganda der Fidesz perfekt in die Karten, die können die 1:1 mit Untertiteln im Fernsehen senden (und werden dies tun) als Beweis der Richtigkeit ihrer Unterstellungen.Ich finde es entsetzlich, wie sich Westeuropa aufgrund arroganter, unreflektierter Selbstgerechtigkeit immer wieder als unfähig erweist, eine notwendige Auseinandersetzung mit Empathie und damit wirksam zu führen.

Selbstverständlich werden wir mit purer Macht der ungarischen und der polnischen Regierung am Ende auch beim EU-Haushalt unseren Willen aufdrücken. Aber so wie wir das anstellen, stärken wir sie auch damit wieder im eigenen Lager. Nur weil er sich auf unsere Dummheit verlassen kann, geht Orban in eine so aussichtslose Konfrontation.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz