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Härte und Respekt

Ich fürchte, der Polen-Korrespondent Christoph von Marschall hat Recht: Der Versuch, unterschiedliche Wertevorstellungen per rechtlicher Konfrontation zu entscheiden, kann nicht funktionieren, sondern wird fast unvermeidlich die EU als Rechtsgemeinschaft und ihre Institutionen schädigen. (PS: Mit “ Wertevorstellungen“ meine ich hier ausdrücklich NICHT Grundprinzipien des Rechtsstaates die Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Presse und Freiheit der Wissenschaft! Diese müssen durchgesetzt werden – politisch und rechtlich.)

Er schreibt: „Wie in einer Lebenspartnerschaft gilt für die EU: Vorsicht und Weitsicht sind geboten, bevor man einen Streit auf die Spitze treibt und ultimative letzte Worte spricht, die man nicht mehr zurücknehmen kann. Sie können die Beziehung, auf der die Zukunft beruht, zerstören.“Wir sollten diskutieren, politisch streiten, demonstrieren – nur so kann Europa zusammenfinden. Engagierte Bürger sind hier ebenso gefordert wie Medien, Kulturschaffende, Parlamentarier und Angehörige der nationalen und europäischen Exekutiven.

Dabei nationale und europäische Gerichte gegeneinander in Stellung zu bringen, kann aber nicht funktionieren. Sie sind schließlich alle befangen, weil in einem Kampf um eigenes Prestige. Und sie agieren dabei wenig rational und verantwortlich, wie leider schon das Bundesverfassungsgericht in Fragen beweist, die technischer Natur sind und noch nicht einmal entfernt mit Leidenschaften rechtfertigenden Grundrechts- und Identitätsfragen zu tun haben.

Die EU ist ein freiwilliger Zusammenschluss souveräner Staaten. Ihre Institutionen handeln da, wo die Nationalstaaten sie beauftragt haben. Europäisches Recht bricht nationales Recht – wo das legitim ist, wird aber auf nationaler Ebene entschieden. Das ist eine komplizierte Konstruktion, die aber den politischen Verhältnissen auf dem Kontinent entspricht. Eine Konstruktion, die von allen Beteiligten Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein verlangt. Ich fürchte, daran fehlt es gerade.Es muss gelingen, die Verfassungsgerichte auch weiterhin in die Verantwortung für das (von den Regierungen und Parlamenten demokratisch beschlossene) Europa zu nehmen.

Nicht nur der polnische Verfassungsgerichtshof verhält sich aktuell verantwortungslos. Umso wichtiger ist es, klug zu agieren und ihn nicht noch weiter anzustacheln.Mein Vater hat mir sehr früh beigebracht, dass nur Idioten in eine Schulhofschlägerei gehen.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz