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Zeit der Bestärkung

Manuel Garth interpretiert in einem sehr lesenswerten Artikel den Wiederaufbaufonds als „Quantensprung“ in der EU – und als Appell, visionärer zu denken und zu handeln, lauter und entschlossener für die europäische Einigung einzustehen.

Ich teile den Überschwang nicht ganz. Meiner Meinung nach sind es nicht Revolutionen, die die Europäische Einigung voranbringen. Es ist viel mehr eine stetig voranschreitende Evolution entlang sachlicher Notwendigkeiten.

Angela Merkel war als Bundeskanzlerin immer bestrebt, nach dem zu arbeiten, was sie 2010 in einer Rede am College of Europe „Unionsmethode“ getauft hat. Sie hat in ihrer Regierungspraxis hartnäckig aktuelle Probleme dazu genutzt, Verantwortlichkeiten aus den europäischen Institutionen heraus auf den Tisch der Staats- und Regierungschefs zu zerren, um dort in endlosen Nachtsitzungen den Showdown zu suchen.

Dass ausgerechnet diese Frau nun in einer existentiellen Frage den Weg unter Führung der EU-Kommission über den europäischen Haushalt unter enger Einbindung des Europäischen Parlaments gewiesen hat, betrachte ich als stillen und wichtigen Triumph der „Gemeinschaftsmethode“. Als Eingeständnis der Überlegenheit gemeinschaftlich-europäischer Lösungen für europäische Probleme.

Dies sollte man auskosten und als Bestärkung für hartnäckiges Eintreten für wahrhaft europäische Lösungen verstehen. Aber ohne zu viel Jubel, denn es wird auch wieder sehr viel Frust auf uns zukommen. Wie schon seit 70 Jahren.

Nur wenn europäische Wege dank der Arbeit von Idealisten als klar beschriebene und erkennbare Option offensichtlich sind, werden Pragmatiker sie am Ende auch einschlagen; spätestens dann, wenn sie anders nicht mehr weiterwissen. Insofern ist das, was gerade passiert, möglicherweise kein „Quantensprung“ – aber eine eindrückliche Ermutigung.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz