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Umfragen und Politik

Laschet oder Söder? Insbesondere das Lager der Laschet-Skeptiker puscht dieses Thema gerade medial und innerhalb der Partei. Betrachtet werden dabei Umfragewerte. Klar, Popularität ist wichtig. Aber sie ist ein schlechter Ratgeber.

Erstens, weil sie flüchtig ist. Muss man an den kurzfristigen Höhenflug von Schulz erinnern? Wie war das mit Guttenberg, den nicht nur die Bunte schon zum Kanzler der Herzen ausgerufen hatte? Zweitens: Wieviele Wahlen hat Kohl als vermeintlicher provinzieller Stümper gewonnen, obwohl sich keiner zu ihm bekennen wollte? Was an der Urne zählt ist Vertrauen, Beständigkeit, Verlässlichkeit. Der Wähler ist klüger, als die Wasserstandsmelder und Klickzahlengenerierer denken. Jedenfalls straft er sie regelmässig Lügen.

Das ist soweit kein Argument für Laschet oder gegen Söder. Auch keines für Söder oder gegen Laschet. Es ist einfach ein Argument gegen den Hype um Popularitätswerte. Erstens sind die nicht gegeben, sondern werden gemacht – und die Herausforderung ist, sie zu machen bzw sie nicht von „den Anderen“ machen zu lassen. Und zweitens sind sie nicht das, was die Mehrheit der Wähler an der Urne bewegt. Meiner Meinung nach droht bei der Diskussion über den Kanzlerkandidaten unterzugehen, worum es eigentlich geht: Welche Besetzung verspricht eine gute, stabile Regierung? Und da besorgt mich zweierlei:

Erstens wäre ein Ministerpräsidentenparteichef in Düsseldorf in Kombination mit einem CSU-Kanzler eine fortgesetzt Zerreißprobe für die CDU. Die CDU ist keine Programmpartei, sie versammelt sich nicht um politische Ziele. Sie überbrückt unterschiedlichste Positionen und bindet sie ein in eine Formation, die Macht erringen kann und bei der für alle etwas abfällt. Deshalb ist ihr Führungspersonal so wichtig: Als Projektionsfläche. Deshalb der vollkommen absurde Hype um Merz, der inhaltlich herumlavierte und doch zum Orientierungspunkt stilisiert wurde. Deshalb die Erfahrung, dass die Partei nicht umgehen kann mit einer Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz – das hat seit Adenauer/Erhard nie funktioniert. Es wurde zum Problem bei Merkel/AKK und ist ein Problem bei Merkel/Laschet. Söder/Laschet würde das Problem perpetuieren: Laschet müsste sich, um den Laden zusammenzuhalten, fortwährend gegen Söder profilieren – dürfte genau das aber im Interesse einer stabilen Regierung nicht tun. Ein Rezept für fortgesetzte Selbstzerlegung der CDU.

Zweitens wäre diese Konstruktion sehr schwierig und herausfordernd für die CSU. Die CSU ist ein merkwürdiger Verein. Sie profiliert sich gerade NICHT durch einen Wettbewerb mit den anderen Parteien in Bayern. Sie hält die SPD schon durch den Namen, das „Soziale“ in CSU und den damit verbundenen Anspruch, klein. Und sie tut dasselbe inzwischen mit den Grünen, die Söder bis weit über die Schmerzgrenze kopiert, um ihen das Wasser abzugraben. Da ist die CSU wachsweich, „eine Lebenseinstellung, keine Partei“ wie mir ein CSU-Landrat mal erklärt hat. In der Übertreibung ein bewährtes Mittel sei, allen beruhigend zu signalisieren, dass man es nicht so ernst meine. Ihr Profil schärft die CSU gegen die Bundespolitik. „Wir in Bayern“. Immer etwas anders, eigentlich immer etwas besser, aber eben doch Teil der Familie, wenn es darauf ankommt. Wie aber soll dieses Modell, diese Selbstsicht, funktionieren mit einem CSU-Chef im Kanzleramt, der seine Partei gegen sich selbst profilieren müsste?

Ich bin sicher, dass das die Fragen sind, die man in der CDU- und CSU-Zentralen und vor allem -Vorständen derzeit diskutiert, und nicht irgendwelche Meinungsumfragen. Und ich bin gespannt auf das Ergebnis. Ob Söder wirklich will, seiner Partei das zumuten will. Und ob Laschet es wagt, der CDU das Maß an Lebendigkeit und Kontroversität abzuverlangen, das ein CSU-Kanzler bedeuten würde. Bzw. ob er bereit ist, das Amt des CDU-Chefs strukturell so weit zu schwächen und damit erfolgreiche Führung sehr zu erschweren.

Wie weit eine Art demoskopiegetriebener Schönheitswettbewerb politische Überlegungen zumindest medial in den Hintergrund zu drängen in der Lage ist, finde ich außerdem einigermaßen beunruhigend.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz