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Thesenpapier zum CDU-Europawahlkampf

Man sagt, die Europawahl sei eine Wahl minderer Bedeutung. Weil das Ziel der europäischen Einigung in Deutschland im Wesentlichen unumstritten sei und das Europäische Parlament für konkrete Politik nicht so bedeutsam. Gerade im Falle der Partei Adenauers und Kohls wüssten doch alle, wofür sie steht. Insofern sei zu großer Aufwand müßig.

Diese Einschätzung sitzt tief, hat sich eingegraben in die Analysen und die Wahrnehmung bei uns, bei den Medien und bei den Wählern. Gerade dort, wo parallel Kommunalwahlen stattfinden, wollen sich viele darauf verlassen, dass diese die Wähler schon an die Urnen holen werden. Und manchen gilt es als ungeschickt, Dinge anzusprechen, die möglicherweise unpopulär sind.

So zu denken ist aber gefährlich. Zum einen hat der Vertrag von Lissabon 2009 das Europäische Parlament deutlich gestärkt, seither erkämpfen sich die Abgeordneten Zug um Zug mehr Einfluss. Ein halbherzig geführter Wahlkampf bedeutet vor diesem Hintergrund im Ergebnis Machtverzicht!

Darüber hinaus aber gibt es in der gegenwärtigen Situation aus Sicht der CDU fünf Gründe, die Zeit bis zur Europawahl überlegt und entschlossen zu nutzen:

 

1. EU-Politik ist alltagsrelevant geworden – und so müssen wir nun auch mit ihr umgehen

Europapolitik beschäftigt sich nicht mehr nur mit Zukunftsideen, sie betrifft unser aller Alltag und wird schon deshalb notwendig umstrittener. Egal ob Handelspolitik, Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, die Stabilität unserer Währung, unsere Sozialsysteme oder der Komplex Migration und Flüchtlinge: Alles hat mit Europa zu tun.

Damit berührt Europapolitik heute Identitätsfragen, die persönliche Sicherheit und das Portemonnaie. Bei entsprechender Sensibilität und bei berechtigten Sorgen und Befürchtungen in der Wählerschaft dürften wir das europäische Projekt nicht länger nur mit moralischen Appellen vor uns hertragen. Idealistische und undifferenzierte Leerformeln bestätigen alle Klischees von abgehobener Politik und vermitteln den Eindruck, wir nähmen weder das Thema noch die Sorgen, Erwartungen und Hoffnungen der Bürger ernst.

Ob es die Europäische Einigung geben soll, ist längst nicht mehr die Frage. Wie wir Probleme lösen, Mängel beseitigen und Fortschritte erreichen können – das muss im Mittelpunkt stehen.

Um auch für Unzufriedene und Zweifelnde vertrauenswürdig zu sein, müssen wir die europa-politischen Vorstellungen unserer Partei anschaulich machen können, Dogmen vermeiden und mit Kritik angemessen umgehen.

 

2. Wir müssen Populismus entlarven und uns ihm deutlich entgegenstellen

Wir erleben gegenwärtig ein Maß an Verunsicherung der Demokraten, das die meisten von uns noch vor kurzer Zeit nicht für möglich gehalten hätten. Politische Kräfte, die Probleme herbeireden und aufbauschen, schaffen es zu oft, die politische Agenda zu bestimmen.

Unsere Mandats- und Amtsträger wissen, dass die Welt selten schwarz-weiß ist, dass niemand die Wahrheit für sich gepachtet hat, dass sich die politische Auseinandersetzung in gegenseitigem Respekt lohnt und dass Kompromisse kein Zeichen von Schwäche sind. Diese Überzeugungen unterscheiden uns fundamental von Rechtspopulisten. Gerade im Kampf um verunsicherte Wählerinnen und Wähler dürfen wir keine Gelegenheit auslassen, in diesem Sinne selbstbewusst, leidenschaftlich und differenziert die sachliche Auseinandersetzung zu suchen und unsere Themen zu setzen.

 

3. Wir müssen die Reihen schließen

Unsere inhaltliche Breite ist unser Erfolgsrezept. Zielorientierte und von gegenseitigem Respekt getragene interne Diskussionen ermöglichen es der CDU seit sieben Jahrzehnten, ausgewogene und sachgerechte Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.

Entsprechend ist es schädlich, dass wir zuletzt das Bild einer inhaltlich gespaltenen Partei abgegeben haben. Dabei zeigt gerade das Beispiel der Migrationspolitik, dass ein so geführter Streit nicht weiterführt. Unter heutigen Bedingungen lassen sich viele Fragen nur gemeinsam mit den Nachbarn lösen, während natürlich der Verweis hierauf kein Ersatz für politische Entschlossenheit sein darf.

Erforderlich ist eine Politik, hinter der sich alle Christdemokraten stellen können, ganz gleich ob sie sich den konservativen, den christsozialen oder den liberalen Traditionslinien am nächsten sehen. Eine Politik, die wir mit gegenseitigem Respekt erstreiten und gemeinsam vertreten. Ein gut vorbereiteter und vor Ort gut geführter Wahlkampf unterstützt die Bemühungen der Bundesparteiführung in dieser Hinsicht. Ganz gleich, wie wir Ihn führen, werden der Europawahlkampf und sein Ergebnis die Außenwahrnehmung unserer Partei mitbestimmen.

 

4. Wir müssen unsere Rolle als stärkste Fraktion und bestimmende Kraft verteidigen

Rechts von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) versuchen sich im Europäischen Parlament die euroskeptischen ‚Reformisten und Konservativen’ zu unseren Lasten neu zu formieren. Vor allem aber wollen rechtspopulistische Parteien unterschiedlicher EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Sie werden versuchen, Ängste in einer unübersichtlicher gewordenen Welt zu verstärken und zu instrumentalisieren.

Gleichzeitig strebt Macron mit Parteien mehrerer EU-Staaten eine neue Fraktion in der Mitte des demokratischen Spektrums an.

Unter diesen Umständen müssen wir mit differenzierten, durchdachten und verantwortlichen Positionen rechtzeitig und selbstbewusst in die Offensive, um zu verhindern, dass wir in die Zange genommen werden.

Die EVP, deren harter Kern die deutschen Unionsparteien sind, bietet einerseits jenen die Stirn, die mit schlichten Parolen Streit in Europa schüren und gemeinsame europäische Politik unmöglich machen wollen. Gleichzeitig drängt sie auf Solidität, Langfristigkeit und Stabilität. Im Europäischen Parlament werden wir als politische Kraft des Sachverstands, der Verlässlichkeit und des Augenmaßes dringend gebraucht. Unsere Aufmerksamkeit gilt immer eher dem Fundament als himmelstürmenden Visionen, weil Europa nur so wirklich vorankommt.

Genau das müssen wir den Wählerinnen und Wählern auch sagen.

 

5. Ein Wahlkampf zu sensiblen und komplexen Fragen erfordert gute Vorbereitung

Es wäre fatal, wenn wir die vielen engagierten Mitglieder im Wahlkampf (also an den Ständen und im Bürgergespräch) mit schlichten, die Probleme nicht ansprechenden Slogans alleine ließen.

Um im Frühjahr einen guten Wahlkampf hinzubekommen, müssen wir uns so bald wie möglich die Zeit nehmen, zunächst in der Partei die aktuellen europapolitischen Herausforderungen und die Lösungsansätze der CDU bzw. der Europäischen Volkspartei zu diskutieren.

Das macht Mühe, aber es wird die aktiven Mitglieder motivieren. Es hilft dabei, Volkspartei und damit erfolgreich zu sein. Bei dieser Wahl und darüber hinaus.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz