Allgemein

Herrenmenschentum

Das Kernproblem des offenen Briefes von Schwarzer & Co. hat Harald Welzel (als dessen Verfechter) mehrfach ganz klar auf den Punkt gebracht:

Man fordert Verhandlungen, hat aber KEINE Antwort auf die Frage, was man denn Russland anbieten wolle, damit es die Kampfhandlungen einstellt. Auf direkte Nachfragen sagte er zwei Mal: Man sei da doch bewusst zurückhaltend geblieben, habe da ja absichtlich nur angedeutet….!?

Da liegt aber der Hase im Pfeffer. Man will nicht auf der Seite Putins gesehen werden. Man will auch nicht wirklich so verstanden werden, als hielte man die Forderungen der Ukraine nach Frieden und Sicherheit für überzogen. Also eiert man herum.

Als politische Handlungsanweisung ist dieser Brief daher gänzlich ungeeignet weil ohne Substanz. Und dafür erhält er seit Tagen verdammt viel Aufmerksamkeit. „Wünsch-Dir-Was“ scheint halt doch irgendwie attraktiv zu sein…


Am nächsten Morgen finde ich das, was bei #AnneWill gestern passiert ist, übrigens noch viel schlimmer. Welzer hat allen Ernstes von Melnyk (!, dem Botschafter des Landes, das mit am meisten Opfer zu beklagen hatte) mehr Empathie und Verständnis für die psychische Not der Nachkommen der Täter (!) im Zweiten Weltkrieg eingefordert, ihn in diesem Kontext übelst abgekanzelt und zurechtgewiesen. Da sprach der Herrenmensch.

Ich frage mich, ob unsere ganze „Erinnerungskultur“ nicht eine reichlich unreflektierte, oberflächliche und letztlich eitle Angelegenheit ist, ganz im Sinne eines „Wir sind Weltmeister im schuldig sein, niemand ist so schön schuldig wie wir“ (wie es Volker Pispers mal auf den Punkt gebracht hat).

Ob wir uns nicht hinter der Fassade zur Schau gestellter Reue eigentlich ganz behaglich eingerichtet haben und alte Weltbilder weiter pflegen. Und nun im Krieg bricht der alte Deutsche wieder durch, der wichtiger ist als die anderen, um den sich die Welt zu drehen hat, neben dessen Positionen Wahrnehmungen und Interessen der anderen gefällst zurückzustehen haben.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz