Allgemein

Halbherzigkeit

Nach Meinung des ukrainischen Kulturwissenschaftlers Vasyl Cherepanyn unterstützt der Westen die Ukraine deshalb nur halbherzig, weil er aus drei Gründen ihren Erfolg fürchte:

1. Der Westen sei nicht bereit, anzuerkennen, dass sich im Osten ein Fortschritt ereigne, der über das Aufschließen an den Westen, über ein Nachholen des im Westen längst Erreichten, hinausgehe. Westeuropa wolle sich als Nabel der Welt sehen und auf Osteuropa herabschauen.

2. Die EU habe sich eigentlich damit arrangiert, Osteuropa dem russischen Revanchismus auszusetzen und im Gegenzug den eigenen wirtschaftlichen Vorteil gesucht. Eine sich gegen Russland behauptende Ukraine werfe nicht nur diese Idealvorstellung über den Haufen, sie stelle zudem bloß, dass das „postkoloniale“ Selbstbild des Westens eine Lüge sei.

3. Der Vorsatz des Westens, „nie wieder Krieg“ zuzulassen, behindere heute das Denken über den Krieg und seine Konsequenzen. Der Westen wolle am liebsten einfach darauf warten, dass der Krieg wieder aus den Nachrichten verschwinde, statt sich mit der Realität zu beschäftigen und rational zu handeln.

Ein ganz starker Text, weil er auf den Punkt bringt, wie viele Osteuropäer die Situation wahrnehmen. Er beschreibt eine ganz wesentliche Realität, auch wenn es nicht unsere ist.
Der Artikel endet mit einem Zitat Shakespeares (aus dem Hamlet):

The time is out of joint—O cursèd spite,
That ever I was born to set it right!

Zu deutsch:

„Die Zeit ist aus den Fugen. Weh mir zu denken,
dass ich geboren ward, sie einzurenken!“

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz