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Gebt Cameron den Karlspreis!

KarlspreisMartin Schulz hat den Karlspreis erhalten. Eine Überraschung ist das nicht gerade. Da die Auszeichnung meist an Spitzenpolitiker und Verantwortliche europäischer Institutionen vergeben wird, ist der Kreis möglicher Empfängerinnen und Empfänger überschaubar. Der Ratspräsident Donald Tusk hat seinen schon, ebenso Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Nachdem EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ihn erhalten hat, dürfte nächstes Jahr sein Nachfolger Mario Draghi dran sein. Wie aufregend….

Um nicht falsch verstanden zu werden: Schulz hat sicherlich Verdienste um Europa. Er vollbringt jedoch nichts Unerwartbares, sondern das, wofür wir ihn als Steuerzahler angemessen entlohnen. Sicher hat er im letzten Jahr die Macht des Europaparlaments ausgebaut und gefestigt. Ihm den Preis zu geben, mutet jedoch an wie eine Auszeichnung des Papstes für herausragende Dienste um die Führung der katholischen Kirche.

Haben wir keine engagierten Bürger, innovativen Unternehmer, hellsichtigen Forscher oder aufs Brückenbauen bedachte Geistliche? Karikaturisten, Journalisten, Historiker, Lehrer oder Ärzte, die an ihrer Stelle „hervorragende Leistungen in politischer, wirtschaftlicher oder geistiger Beziehung für die Einheit Europas“ geleistet hätten? So ein bisschen entsteht der Eindruck, als solle der Karlspreis heute vor allem seine Stifter ins Scheinwerferlicht rücken, nicht etwa die Ausgezeichneten – was allerdings auch bei anderen Preisen vorkommt.

Da nicht genug europäisches Spitzenpersonal zur Verfügung steht, müssen die Aachener regelmäßig auch auf nationale Vertreter zurückgreifen. Vor 50 Jahren mag es preiswürdig gewesen sein, wenn Politiker nationale Interessen hinten anstellten, um idealistisch Europa voranzubringen. Heute jedoch sind die Interessen der Union und der Mitgliedsstaaten so eng verwoben, dass ein schlechter und unverantwortlicher nationaler Spitzenpolitiker wäre, wer die europäischen Gemeinsamkeiten und damit die Interessen der Union aus dem Blick verlöre. Europäische Politik ist unionsweit im nationalen Interesse und damit Gegenstand regierungsverantwortlicher Pflicht, nicht etwa Kür.

Es gibt sie allerdings auch heute: nationale Politiker, die Großes für Europa vollbringen, ohne dies bewusst und geplant im Interesse des eigenen Landes getan zu haben. Im vergangenen Jahr stach der britische Premier heraus. Er hat es mit hohem persönlichen Einsatz und großem Risiko für die eigene Reputation vermocht, auch Sozialisten und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament weitestgehend hinter dem konservativen Wahlsieger der Europawahl Jean-Claude Juncker zu einen. Im Europäischen Rat hat er (von sich selbst abgesehen) Geschlossenheit hergestellt, obwohl zuvor nicht nur Frau Merkel deutliche Zweifel am Kandidaten Juncker hatte erkennen lassen. David Cameron hat entscheidend dazu beigetragen, dass das Parlament seinen Anspruch auf Benennung des Kommissionspräsidenten durchsetzen und den Vorschlag des Rates zum protokollarischen Vorgang degradieren konnte. Ein großer Schritt hin zur Parlamentarisierung der EU, der kaum zurück zu drehen sein dürfte und machtpolitisch ein entscheidendes Ereignis in der Verfassungsbildung Europas bleibt.

Man weiß ja nie, wozu Preisträger noch so in der Lage sind. Die Situation in Großbritannien lässt manches erwarten oder auch befürchten. Vielleicht wird seine Politik doch noch zum Untergang des Vereinten Königreichs führen und England in eine einseitige Abhängigkeit von der Europäischen Union ohne Mitspracherechte treiben. Vielleicht. Es könnte aber auch sein, dass sein Handeln einmal mehr im Ergebnis Europa voranbringt. Der Mann hat Talent. Cameron hätte sich den Karlspreis redlich verdient!

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz

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