Die aktuelle Diskussion über die Impfstoffkäufe zeigt meiner Meinung nach überdeutlich, wie fatal es gewesen ist, dass das sogenannte Spitzenkandidaten-Verfahren“ im vergangenen Jahr erneut nicht zum Tragen kam.
Dass die Staats- und Regierungschefs erfolgreich ein parlamentarisches Verfahren ausgehebelt haben (bzw dass das Europäische Parlament das hat geschehen lassen), führt im Ergebnis dazu, dass die EU und ihre Entscheidungsträger in der öffentlichen Debatte gleichgesetzt werden MÜSSEN.
Es fehlt auf europäischer Ebene eine Opposition, die den Finger in die Wunde legt. Es fehlen sicht- und erlebbare demokratische Korrekturmechanismen. Es fehlen Rechtfertigungsdruck und politische Konkurrenz innerhalb der europäischen Institutionen. Aus Zweifeln an den Handlungen einzelner werden Zweifel an Institutionen und an der Zusammenarbeit insgesamt.
Die EU-Kommission ist mittlerweile sehr mächtig. Sie hat Kompetenzen, in unterschiedlichen Bereichen, wie sonst nur Regierungen. Wir müssen dringend vom Gedanken Abschied nehmen, sie könne und müsse als große Kompromissmaschine alles können und dabei alle glücklich machen.
Wer am Ende bei jedem Fehler und jedem Zweifel an „europäische Gesinnung“ appellieren und um Verständnis betteln muss, untergräbt das Fundament der Einigung. Da, wo Politik mehr ist als gute Verwaltung, weil es um Werte-Entscheidungen geht, da braucht sie eine institutionalisierte Opposition, damit sich alle mitgenommen fühlen.
Wen wir keine europäische Opposition anbieten, übernehmen diese unverzichtbare Rolle nationalistischen Gegner der EU.