Aus all den öffentlich geäußerten Begründungen und aus Informationen, die man so findet, lässt sich meiner Meinung nach ein ziemlich klares Bild gewinnen.
Merkel hat viele Diskussionen erst mal laufen lassen. Das mag ihr persönlicher Stil sein. Das kann wohl manche auch nerven. Man kann darin aber auch den klugen Versuch sehen, erst mal in einen Dialog zu kommen und allen Partnern auf Augenhöhe zu begegnen. Und die Rolle einer Schiedsrichterin zwischen den Beteiligten zu vermeiden, um besser integrieren zu können.
Die Grünen waren sicher anstrengend. Sie sind leidenschaftlich. Sie wissen viel, sie reden viel und sie entscheiden wenig „top down“. Einfach, weil das nicht ginge in dieser Partei. Also dauert alles. Also muss nachverhandelt werden, wenn am Tisch etwas in Aussicht gestellt wurde, was dann doch nicht geht. Das kann nerven, wenn man es einfacher gewöhnt ist.
Die CSU war in einer schwierigen Lage. Seehofer steht parteiintern unter Beschuss. Er konnte schwer zurückweichen in Verhandlungen. Und er hatte Positionen bezogen, die so unmöglich zu halten waren.
In dieser Situation war es für die FDP durchaus rational, davon auszugehen, dass es früher oder später knallen würde zwischen Grünen und CSU. Dass die Grünen sich zwischen den Notwendigkeiten am Tisch und den Erwartungen ihrer Basis aufreiben würden. Dass die CSU einen starken Abgang suchen würde mit Blick auf die Landtagswahl nächstes Jahr. Und dass Merkel dem hilflos würde zusehen müssen. Die alltäglichen Beobachtungen könnten dieser Erwartung ständige Nahrung gegeben haben.
Vielleicht wäre dann Druck auf die SPD entstanden und man wäre noch einmal davon gekommen. Hätte sich im Bundestag erst mal etablieren können, um das eigene Profil zu schärfen.
Oder es wäre zu Neuwahlen gekommen. Basierend auf der Erfahrung: Schwarz-Gelb ginge reibungslos, die Grünen passen aber einfach nicht dazu. Ideale Ausgangsbedingungen für eine schwarz-gelbe Mehrheit. Zu der man als FDP beitragen könnte, wenn es gelänge, durch Rhetorik und Inszenierung AfD-affine Klientel abzuwerben.
Also hat die FDP die Verhandlungen nicht allzu ernst genommen. Auch das Verhandlungspapier nicht. Sie hat sich nicht bemüht, Konflikte zwischen den anderen Teilnehmern beizulegen. Eher Möglichkeiten gesucht, dezent aber wirksam anzuheizen.
Sie glaubte warten zu können. Weil sie sicher war, dass das nichts werden könnte. Sie vertraute auf das, was sie jetzt so lauthals beklagt: dass es doch wirklich „nicht passte“. Sie bereitete ihre Stellungnahmen vor für den Moment, in dem Seehofer auf sie zukommen würde mitt dem Interesse an einem Abgang, bei dem er nicht als einsamer Quertreiber dastünde.
Dann ließen Merkel und Seehofer die gesetzte Frist am Donnerstag verstreichen. Verhandelten weiter. Seehofer suchte intensiv und mit Leidenschaft den Ausgleich. Hatte die FDP sich zuvor bei Auseinandersetzungen zwischen Union und Grünen bewusst herausgehalten, sah sie sich nun auch deshalb am Rand. Unbeachtet. Musste zusehen, wie Problem um Problem gelöst wurde. Geriet aus ihrer Sicht plötzlich und unerwartet in „akute Regierungsgefahr“, wie die Augsburger Allgemeine so schön schreibt. Und stieg Hals über Kopf aus aus einem Spiel, dass doch die anderen hätten beenden sollen.