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Verantwortungslosigkeit bei der Wahlrechtsreform

By Avda, CC BY-SA 3.0, taken from Wikimedia

Offenbar fehlt es im Bundestag am ernsthaften Bestreben, die dringend erforderliche, wichtige Reform des Wahlrechts gemeinsam auf die Beine zu bekommen. Das ist ein Trauerspiel, erbärmlich und verantwortungslos. Bei dem das Ansehen unseres Parlaments, unserer Parteien und unserer Demokratie auf dem Spiel stehen. Und sie veranstalten weiter parteipolitische Grabenkämpfchen, als ginge es um nichts…..

Aufgrund unseres Wahlrechts in Kombination mit der immer weiteren Ausdifferenzierung unseres Parteiensystems wächst der Bundestag, der nächste könnte leicht über 800 Abgeordnete haben. 200 mehr als vorgesehen.

Eine Kommission scheiterte im Frühjahr beim Versuch, das Wahlrecht so zu ändern, dass es nicht so kommt. Den Kompromissversuch Schäubles mochte keiner. Im Herbst drohten einzelne SPD-Abgeordnete mit der Opposition gemeinsame Sache gegen die CDU/CSU zu machen. Kindereien, eine Retourkutsche gegen einen Vorschlag aus der Union, der zu Lasten der SPD und der Opposition gegangen wäre. Und exakt diesen Vorschlag wärmen 24 MdB um den Karlsruher Axel E. Fischer nun wieder auf, zur nachrichtenarmen Zeit.

Die Zusammensetzung des Bundestages würde nicht mehr von der Zweitstimme bestimmt wie bisher. Vielmehr soll nach diesem Konzept nur noch die Hälfte des Bundestages nach dem Verhältniswahlrecht gewählt werden, die andere Hälfte nach dem Mehrheitswahlrecht in den Wahlkreisen.

Sämtliche rechtslastigen Online-Postillen bejubeln die Idee: Klare Verhältnisse, wenigstens bei der Hälfte. Der (relativ) Stärkste gibt den Ton an, der Rest der Stimmen fällt unter den Tisch. Endlich ein System, bei dem Polarisierung, Mobilisierung, Diffamierung zum Erfolg führen – nicht demokratischer Respekt, nicht die Suche nach Ausgleich und Kompromiss.

Als könnte man nicht in der angelsächsischen Welt auf’s Beste beobachten, wohin die Sehnsucht nach klarer Kante, nach Niederringung des Gegners, nach schwarz-weißer Politik führt. Grabenwahlrecht wird das Mehrheitswahlrecht auch genannt – the winner takes it all, the looser’s standing small.

Der Vorschlag würde die CDU/CSU strukturell in die Nähe der absoluten Mehrheit bringen, während die Fraktionen ohne Aussicht auf Wahlkreismehrheiten von der Größe her halbiert würden. Man kann das wollen – aber warum sollte sich eine Mehrheit im Bundestag selbst so ins Knie schießen?

Auch die jüngste Initiative geht also nicht nur in die falsche Richtung was die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie und den Zusammenhalt des Landes angeht. Sie ist auch offensichtlich dazu gedacht, den Status quo beim Wahlrecht zu zementieren und dafür den Schwarzen Peter an andere abzuspielen. Sehen die Verantwortlichen wirklich nicht, was sie da treiben?

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz