Allgemein

Stellungnahme zum „Brexit“

English version below

European and British flags.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist ein historischer Fehler, der allen Beteiligten schadet. Dass sich insbesondere in England die Auffassung durchsetzen konnte, das Land könne sich im Alleingang Vorteile verschaffen, ist ein trauriger Sieg des Nationalismus und eine Niederlage für alle Unterstützer einer rationalen, an langfristigen Zielen ausgerichteten demokratischen Politik in Europa.

Für uns als Anhängerinnen und Anhänger der europäischen Einigung markiert das heutige Ereignis ein schmerzhaftes Scheitern. Es ist nicht gelungen, der Mehrheit der Öffentlichkeit im Vereinigten Königreich zu vermitteln, worum es uns geht: Wir wollen ständige Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer demokratischer Institutionen an Stelle konkurrierender nationaler Machtpolitik, um so den Frieden zu sichern, faire Verhältnisse in Europa zu schaffen und gemeinsame Interessen wirksam zu vertreten. In einer Welt, die immer komplexer und unsicherer wird und in der der europäische Anteil an Weltbevölkerung und Weltwirtschaft schrumpft, ist der Brexit ein tragischer Rückschritt.

Gerade als Deutsche – egal ob aus Umweltverbänden, Wissenschaft, Verbraucherschutz, Unternehmen, Kultur oder Medien – werden wir die Briten sehr vermissen. Sie sind über vier Jahrzehnte verlässliche Partnerinnen und Partner gewesen bei der Durchsetzung demokratischer Prinzipien, marktwirtschaftlicher Grundsätze und einer transatlantischen Orientierung auch im Rahmen der Europäischen Union.

Nun geht es um Schadensbegrenzung

Die verbliebenden 27 EU-Mitgliedstaaten haben in den langwierigen Austrittsverhandlungen bewiesen, dass sich Einigkeit auszahlt und zur Schadensbegrenzung beiträgt.

Wir fordern die Regierungen der EU-27 auf, auch in den vor uns liegenden Verhandlungen für ein Abkommen zu den künftigen Beziehungen der EU zum Vereinigten Königreich für alles, was im Rahmen der europäischen Einigung aufgebaut werden konnte, entschlossen und geschlossen einzustehen.

Wir fordern die Europäische Kommission auf, bei den bevorstehenden Verhandlungen die politischen und gesellschaftlich-ökonomischen Interessen der Europäischen Union weiterhin zu sichern. Dies betrifft die Rechte von EU-Bürgerinnen und -Bürgern im Vereinigten Königreich genauso wie die von Britinnen und Briten auf dem Territorium der EU, für die Vertrauensschutz gelten muss und deren persönliche Lebensumstände möglichst wenig beeinträchtigt werden dürfen.

Als starkes verbindendes Element mit Vorteilen für alle Beteiligten darf der europäische Binnenmarkt durch den Austritt des Vereinigten Königreichs keinen Schaden nehmen. Die vier Grundfreiheiten (Personenfreizügigkeit sowie Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit) und die Integrität des Binnenmarktes sind nicht verhandelbar. Das Vereinigte Königreich muss entscheiden, wie nahe an Binnenmarkt und Zollunion sich das Land künftig positionieren möchte. Der Europäischen Kommission obliegt es dann, in den Verhandlungen sicherzustellen, dass sich britische Rechte und Pflichten gegenüber der Union die Waage halten und dass das Land keinerlei Privilegien im Vergleich zu EU-Mitgliedstaaten und anderen engen Partnern der EU erhält. Es muss klar bleiben, dass sich der EU-Austritt nicht lohnt.

Bei einem britischen Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion sind wirksame Kontrollen an den künftigen Außengrenzen unabdingbar zur Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen. Wir fordern die britische Regierung auf, zu den im Austrittsabkommen gemachten Zusagen bezüglich Nordirland zu stehen und künftig jeden Versuch zu unterlassen, das Karfreitagsabkommen und den Frieden auf der Insel zu gefährden.

Wir halten es für ausgeschlossen, dass sich die EU und das Vereinigte Königreich noch in diesem Jahr auf ein Abkommen zu den künftigen Beziehungen einigen und dieses ratifizieren können. Alle Beteiligten fordern wir dazu auf, solide, transparent und gründlich zu verhandeln und die Möglichkeit der Verlängerung der Übergangsphase im Sinne einer reibungslosen künftigen Zusammenarbeit zu nutzen. Taktische Überlegungen dürfen angesichts elementarer Herausforderungen für die zukünftigen Beziehungen keine Rolle spielen.

Großbritannien und Nordirland gehören weiterhin zu Europa

Bei aller Trauer und Enttäuschung: Wir respektieren die demokratische Entscheidung des Vereinigten Königreichs. Mit Blick auf Sicherheit und Stabilität auf dem europäischen Kontinent und auf den globalen Einfluss Europas muss die Europäische Union alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um – bei Wahrung ihrer vitalen Eigeninteressen – zu einer möglichst engen Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich zu kommen. Je enger die Partnerschaft sein wird, desto größer wird Europas Einfluss in der Welt bleiben.

Wir wünschen unseren britischen und nordirischen Freudinnen und Freunden alles Gute auf dem vor ihnen liegenden schweren Weg. Er wird langwierige internationale Verhandlungen ebenso umfassen wie eine ganze Reihe innenpolitischer Herausforderungen. Wir versichern dabei all jenen politischen Kräfte unserer Solidarität, die eine faktenbasierte, konstruktive und faire Politik entlang unserer gemeinsamen europäischen Werte betreiben. Dies gilt besonders für unsere Schwesterorganisation, die Europäische Bewegung im Vereinigten Königreich. Wir sind froh, dass sich seit dem Referendum deutlich mehr Menschen in Großbritannien und Nordirland für die europäische Einigung interessieren und engagieren.

Unser Ziel bleibt die demokratische Vereinigung aller Europäerinnen und Europäer in einer starken und solidarischen Union.

Diese Erklärung wurde am 28. Januar 2020 vom Vorstand der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) verabschiedet.


Statement about „Brexit“

The United Kingdom’s withdrawal from the European Union is a historic mistake detrimental to all involved. The persistence of the view, particularly in England, that the country stands to benefit from going it alone is a sad victory for nationalism and a defeat for all supporters of rational democratic politics based on long-term goals in Europe.

Today’s event marks a painful failure for us as supporters of European unification. It has not been possible to convey to the majority of British citizens what matters to us: we want permanent cooperation within the framework of common democratic institutions instead of competing national power politics to ensure peace, create fair conditions in Europe and represent common interests in an effective manner. In a world that is becoming increasingly complex and precarious and in which the European share of the world population as well as the global economy is shrinking, Brexit is a tragic step backwards.

As Germans, whether from environmental associations, science, consumer protection, business, culture or media, we will truly miss the Brits. For more than four decades they have been reliable partners in implementing democratic principles, market principles and a transatlantic orientation, including within the framework of the European Union.

Now it is about damage control

In the lengthy withdrawal negotiations, the remaining 27 EU member states have proven that unity is beneficial and helps limit damage. Regarding the upcoming negotiations for an agreement on the EU’s future relations with the United Kingdom, we call on the governments of the EU27 to continue to stand firm and united for all that has been achieved in the context of European integration.

We call on the European Commission to continue to safeguard the political and socio-economic interests of the European Union in the forthcoming negotiations. This concerns the rights of EU citizens in the United Kingdom as well as those of British citizens on EU territory, to whom protection of legitimate expectations must apply and whose personal circumstances must be affected as little as possible.

As a strong unifying element with benefits for all parties involved, the European single market must not be damaged by the United Kingdom’s withdrawal. The four fundamental freedoms (free movement of persons, goods, services and capital) and the integrity of the single market are not negotiable. The United Kingdom must decide how close it wishes its future relationship with the single market and the customs union to be. It is then up to the European Commission to ensure in the negotiations that British rights and obligations towards the Union are balanced and that the country does not gain any privileges compared to EU member states and other close partners of the EU. It must remain clear that leaving the EU is not worthwhile.

In the event of a British withdrawal from the single market and customs union, effective controls at the future external borders will be essential to ensure fair conditions of competition. We call on the British government to stand by the commitments made in the withdrawal agreement regarding Northern Ireland and to refrain from any attempt to jeopardise the Good Friday Agreement and peace on the island in the future.

We do not believe that it is possible for the EU and the United Kingdom to agree upon and ratify an agreement on their future relations before the end of this year. We call on all parties to negotiate in a reliable, transparent and thorough manner and to use the possibility of extending the transitional period to ensure smooth future cooperation. Tactical considerations must not play a role in the face of fundamental challenges for future relations.

Great Britain and Northern Ireland remain part of Europe

Despite all sadness and disappointment: we respect the democratic decision of the United Kingdom. Regarding security and stability on the European continent and Europe’s global influence, the European Union must do everything in its power to establish a close partnership with the United Kingdom, while safeguarding its vital self-interest. The closer the partnership, the greater Europe’s influence in the world will remain.

We wish our British and Northern Irish friends all the best for the difficult road ahead. It will involve lengthy international negotiations as well as a whole range of domestic challenges. We offer our solidarity to all political forces pursuing fact-based, constructive and fair politics in line with our common European values. This applies in particular to our sister organisation, the European Movement UK. We are pleased that, since the referendum, there have been significantly more people in Great Britain and Northern Ireland demonstrating their interest in and commitment to European integration.

Our goal remains the democratic unification of all Europeans in a strong union based on solidarity

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz