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Sensationsgeil am Wesentlichen vorbei

Gestern meldeten die Medien sensationsgeil im Minutentakt, die Staats- und Regierungschefs der EU seien beim Gipfel in Brüssel in Fragen von Flucht und Migration „zerstritten“. Eine Lösung sei bei den Verhandlungen „nicht absehbar“. Journalisten schlossen mit ernsthafter Miene aus der Sinnlosigkeit ihres ahnungslosen Herumstehens vor verschlossenen Türen auf das Geschehen dahinter, was Moderatoren und Publikum mit einer Mischung aus Häme und gespielter Betroffenheit quittierten.

So entsteht der Eindruck, eigentlich seien die anstehenden Fragen doch ganz einfach zu lösen und die europäischen Politiker nur irgendwie zu dumm, zu faul oder zu böswillig.

Gepflegt wird so das Ideal einer Europäischen Friede-Freude-Eierkuchen-Union, an das die Realität natürlich nicht heranreichen kann. Das Muster, Europa als Idee zu verklären um es dann konkret zu verdammen, stammt aus dem Instrumentenkasten der Rechtspopulisten und wurde bei der Brexit-Propaganda perfektioniert.

Ich glaube von Niklas Luhmann stammt der Gedanke, dass Politik für „das Unmögliche“ zuständig sei, das Mögliche könne die Verwaltung besser. Und beim Definieren gemeinsamer Politiken bei Flucht und Migration oder Währung handelt es sich um die Königsdisziplin des Unmöglichen. Es geht um eine Vielfalt an Interessen, die in einer demokratischen EU in der Regel alle legitim, ja oft sogar alle demokratisch legitimiert sind. Um komplizierteste Zusammenhänge. Und um persönliche Betroffenheiten, Hoffnungen und Befürchtungen von Millionen von Menschen.

Hartes Ringen ist unter diesen Umständen der Normalfall. Es ist gewollt, ja sogar wünschenswert, vor allem aber demokratisch unvermeidlich. Dass in Europa zu diesem Zweck sämtliche Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, sich abseits jedes Dünkels als Gleiche zusammensetzen, zivilisiert streiten und beim Gipfel bleiben, bis ein für alle tragbares Ergebnis gefunden ist – DAS zeigt eine der ganz großen Stärken der Europäischen Union. DAS ist großartig, weltweit einmalig und am Ende effizienter als alle anderen Krisenlösungsmechanismen, die sonst irgendwo praktiziert werden.

Defätistisches Geschwätz von der Seitenlinie nervt da nur, untergräbt die Fähigkeit, überhaupt Lösungen zu finden und lenkt ab vom Wesentlichen.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz