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Kommentar zum EU-Gipfel

Podium bei der Ebert-Stiftung
v.l.n.r.: Richard Kühnel (Europäische Kommission), Dr. Kirsten Scholl (Wirtschaftsministerium), Gesa Bräutigam (Auswärtiges Amt), Frank Burgdörfer, Karoline Münz (Stellv. Generalsekretärin der EBD, Moderatorin). Foto: EBD

Am 21./22. März tagte in Brüssel der Europäische Rat, also die Versammlung der 27/28 Staats- und Regierungschefs unter Vorsitz ihres Präsidenten Donald Tusk. Traditionell ist dieser Gipfel den Themen Wirtschaft, Wachstum und Beschäftigung gewidmet. Aufgrund der allgemeinpolitischen Lage stand aber eine Vielzahl von Themen auf der Tagesordnung.

Die Europäische Bewegung lädt nach solchen Gipfeln regelmäßig zu sogenannten „De-Briefings“ ein, bei dem Vertreterinnen und Vertreter der mit der Vorbereitung und Durchführung betrauten Ministerien berichten. Am 24. März fand diese Veranstaltung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung statt. Nach dem Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, Richard Kühnel, hatte ich die Ehre, im Namen der EBD das Berichtete zu kommentieren. Hier meine zentralen Punkte:

  1. Zur Idee europäischer Gipfel an sich. Wie überladen dieser Gipfel gewesen ist und wie viele Themen dort verhandelt wurden, macht darauf aufmerksam, wo die Zusammenarbeit in der EU nach vie vor nicht gut genug ausgestaltet ist. Es kann nicht effizient sein wenn die Staats- und Regierungschefs eine solche Fülle von Fragen in dieser Tiefe beraten. Es ist auch demokratietheoretisch fragwürdig, dass hier wesentliche Weichenstellungen allein durch die Exekutive beschlossen werden und weder nationale Parlamente noch die gemeinsame Volksvertretung der EU Einfluss nehmen können. Als EBD treten wir dafür ein, dass Europapolitik immer transparent und gründlich geschehen muss.Die „Chefs“ sollten sich auf Wesentliches konzentrieren und soweit irgend möglich Parlament, Rat und Kommission überlassen.
  2. Zum Brexit. Dass der Europäische Rat bei den Beratungen zum „Brexit“ ganz eindeutig der Stabilität und Handlungsfähigkeit der EU den Vorrang gegeben hat, ist sehr zu begrüßen. Auch bei einem Austritt ohne entsprechende Vereinbarungen bleibt zwischen dem 12. April und dem 22. Mai Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, um das dann zu erwartende Chaos in den Griff zu bekommen. Die EU darf nun nicht zulassen, dass die Zeit der Unsicherheit doch wieder an den Wahltermin heranrückt, wenn kein Austrittsabkommen zustande kommt. Wichtig ist aber auch: Die EU hat von Beginn an alles getan, um den Vorstellungen der britischen Regierung bestmöglich entgegen zu kommen. Sie fährt von Beginn an eine klare und eindeutige Linie. Und sie hat nach Auffassung vieler auch gegenüber der britischen Bevölkerung und Wirtschaft ein hohes Maß an Verantwortung gezeigt.
  3. Zum Binnenmarkt. Dass die Fortentwicklung des Binnenmarktes auf der Tagesordnung bleibt, ist sehr zu begrüßen. Der Fokus auf Dienstleistungswirtschaft, digitale Dienste, Kapital und Energie ist dabei sachlich angemessen. Mit dem Auftrag an die (neue) Kommission, bis zum nächsten Gipfel einen langfristigen Aktionsplan vorzulegen, beweist die EU Ihre langfristige Orientierung.
  4. Zu China. Es ist bedauerlich, dass die europäisch-chinesischen Beziehungen aufgrund der schwierigen Gespräche zum Brexit weniger Raum erhielten. Das Thema ist essentiell für die Zukunft des Kontinents. Eine klare gemeinsame Linie erschwert es einzelnen Staaten, sich von den anderen zu lösen und bilateral besondere Beziehungen mit China einzugehen. Dass die Union ihren Prinzipen treu bleibt und faire Handelsbeziehungen anstrebt, ist im Interesse nicht nur Europas.
  5. Zum Klima. Es ist äußerst unerfreulich, dass die Klimapolitik der EU immer wieder hinter ihren eigenen vollmundigen Ankündigungen zurückbleibt. Umso mehr, wenn sie von Staaten blockiert wird, die ihren eigenen vollmundigen Zusagen nicht treu bleiben wollen oder können.

Zum Schluss habe ich noch darauf verwiesen, dass der Respekt des Europäischen Rates vor den Europawahlen begrüßenswert ist, dass er aber nicht ausreicht um diese angemessen durchzuführen. Was nach wie vor fehlt ist ein Wahlkampf, der drängende Probleme anspricht, Alternativen herausarbeitet und so interessante Diskussionen herbeiführt. Als Staats- und Regierungschefs können die Gipfelteilnehmer da nicht viel tun – als führende Mitglieder ihrer jeweiligen politischen Parteien könnten sie aber sehr wohl sehr viel mehr für demokratische Politik in der Europäischen Union tun.


siehe auch: Bericht auf der Website der EBD

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz