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Die Sache mit der „Spaltung“

Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Auch nicht in Coronazeiten. Die Krankheit ist schlimm und bedrohlich, auch wenn wir sie soweit im Griff haben, dass die Menschen nicht in Massen sterben. Die Kontaktreduzierungen, Testverpflichtungen und Dokumentationen helfen, die Ausbreitung zu begrenzen, auch wenn sie so nicht gestoppt werden kann. Die Impfung hemmt das Infektionsrisiko und das Risiko schwerer Verläufe, auch wenn sie die Pandemie nicht beseitigen kann.

Unter hohem Druck und großer Aufmerksamkeit müht sich die Wissenschaft, in Echtzeit verlässliches Wissen zu produzieren und zu kommunizieren, ohne zu vereinfachen, ohne falsche Erwartungen zu wecken. Die Medien verstärken mal dies und mal das, lenken die Aufmerksamkeit. Und die Politik muss aus all dem Tragfähiges kondensieren, Orientierung schaffen.

Unterschiedliche Menschen haben unterschiedliche Interessen: Die einen sorgen sich um vulnerable Angehörige, die anderen um Freiheitsrechte, dritte über psychologische und soziale Effekte, vierte über ökonomische Konsequenzen. Hinter legitimen Interessen verbergen sich große Widersprüche. Viele haben aus ihrer Sicht Recht, müssen aber aufeinander zugehen, weil sie nicht allein sind auf der Welt. Demokratische Realität.

Nun gibt es einige, denen das zu mühsam ist. Sie wünschen sich schlichte Wahrheiten und ein Gesamtbild ohne Widersprüche. Weil ein solches die Welt nicht beschreiben kann, raunen sie sich etwas zu von finsteren Mächten, einer verschworenen Pharmalobby, böswilligen Politikern und feindseligen Mitbürgern.

Sie konstruieren sich die harmonische Welt einer Volksgemeinschaft der Einsichtigen, die angeblich alle dasselbe wollen, erkennen und erleben müssen. (Wobei sie natürlich in nichts einig sind abgesehen von der eigenen Opferrolle – aber das lässt sich offenbar ignorieren). Sie schaffen ein „Wir“ der Guten, im Kontrast zu den böswilligen Anderen.

Hier sind Leute am Werk, die den klassischen Werkzeugkasten der Demokratiefeinde zum Einsatz bringen: Emotion statt Argument, Verunglimpfung Andersdenkender, Bedienung der Sehnsucht nach Einfachheit und Nestwärme. Beim Geschwätz von einer „Spaltung“ geht es gerade nicht um die Feststellung von Unterschieden, die sind normal und werden von niemandem ernsthaft bezweifelt. Es geht im Gegenteil um die Delegitimation von Unterschieden und damit der Demokratie.

Diese Delegitimation betreibt auch, wer sensationistisch fortwährend den Weltuntergang herbeischreibt oder herbeisendet oder anderweitig heraufzubeschwören sucht. Konflikte wegen widerstreitender Interessen sind normal. Dass dann demokratisch entschieden werden muss, ist normal. Und das Gerichte angerufen werden, weil sich jemand ungerecht behandelt fühlt, ist normal.

Als Demokraten müssen wir sowohl rechte Instrumentalisierung als auch aufmerksamkeitserheischenden Sensationismus klar und eindeutig zurückweisen und auf die Beschäftigung mit der Realität bestehen, auf Sachargumente, bessere Ideen und Verantwortung.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz