Dass die Bundesregierung im September 2015 den Druck aus dem Kessel nahm, die Überforderung einer ganzen Reihe europäischer Staaten innerhalb und außerhalb der Union vermeiden half und damit die Grundlage für geregeltes, gemeinsames Handeln (auch im Interesse offener Grenzen) sicherte, gilt mittlerweile bei der AfD und vielen Medienvertretern unhinterfragt als „Spaltung Europas“.
Es ist schon gespenstisch, wie der ständige Blödsinn, den Rechtspopulisten verbreiten, die Sinne zu benebeln und „neue Realitäten“ zu schaffen vermag. Was allerdings auch daran liegen könnte, dass wir mit Erklärungen zu zurückhaltend waren und die Deutung zu lange anderen überlassen haben. Gerade jene, denen weder an der Handlungsfähigkeit der EU noch an guten Beziehungen zu all unseren Nachbarn sondern eben an Spaltung liegt, spielen sich auf als Verteidiger der europäischen Idee. Wahrscheinlich amüsieren sie sich selbst, dass das verfängt.
Erstens: Wenn unterschiedliche Politiker aus unterschiedlichen Staaten und unterschiedlichen Parteien unterschiedliche Positionen vertreten, dann ist das der Normalfall und hat mit Spaltung nicht das Geringste zu tun. Zumal in den Gremien der EU trotz Meinungsverschiedenheiten an diesem Punkt hunderte von Entscheidungen einvernehmlich oder mit wechselnden Mehrheiten getroffen wurde, das normale Geschäft also schlicht weiterläuft. So ist das in Demokratien. Einen Willen den alle zu teilen haben, gibt es nur in einer Diktatur.
Zweitens: Ja, Regierungen und Öffentlichkeit in anderen Staaten (vorwiegend im Osten) sind mehrheitlich der Auffassung, die Politik der Bundesregierung und die Reaktion der Deutschen im Jahr 2015 habe ein falsches Signal gesandt. Aber andere Partner (vorwiegend im Süden) hat die Bundesregierung in den Jahren zuvor gegen sich aufgebracht mit der Blockkade jeder Hilfe für überforderte Ankunftsstaaten. Dort war die Verärgeruung am größten – wie auch die Häme, als nun die Deutschen um Hilfe riefen. Wer Lösungen sucht, muss schon das Ganze in den Blick nehmen.