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Brauchen wir Europa in der Jugendpolitik?

Quelle: Deutsch-Polnisches Jugendwerk

Am 14. Juni habe ich in der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen beim ‚Parlamentarischen Abend der Europäischen und Internationalen Jugendarbeit‘ das Forum über die Zukunft der EU-Jugendpolitik moderiert. Kurzfristig wurden die anwesenden Abgeordneten wieder zurück in den Reichstag gerufen. Die Streitereien zwischen CDU und CSU über eine mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen an der Bundesgrenze hatte zu einem verspäteten Beginn der Plenardebatte geführt. Und nun kam es zu namentlichen Abstimmungen am Abend, mit Anwesenheitspflicht.

Wie moderiert man einen parlamentarischen Abend ohne Parlamentarier? Eine bisher nicht gekannte Herausforderung. Zum Glück ließen sich aus dem Publikum schnell Experten für das Podium gewinnen, die Improvisation gelang.

Nach Ablauf intensiver Diskussionen auf dem Podium und mit dem Publikum habe ich den Konsens im Raum wie folgt zusamengefasst:

  1. Es herrschte Einigkeit im Saal, dass gegenüber den Gegnern des europäischen Projekts nur ‚klare Kante‘ angemessen ist. Jugendaustausch, internationale Bildungsprogramme und Freiwilligendienste haben erklärtermaßen das Ziel, die Angst vor dem Fremden zu überwinden, gegenseitigen Respekt und Toleranz zu fördern und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit wachsen zu lassen. Diese Richtung ist den Wünschen von Nationalisten und völkischen Ideologen natürlich fundamental entgegengesetzt. Und Kompromisse kann es keine geben.
  2. Dennoch muss man sich mit den Ursachen der gegenwärtigen Renaissance nationalistischen Denkens beschäftigen, seien diese ökonomischer oder politischer Natur. Die Auseinandersetzung damit ist unverzichtbar. Nur wer sich stellt, kann dazulernen.
  3. Jugendpolitik ist kein spezifisches Politikfeld, sondern eine Querschnittsaufgabe, die in allen Bereichen mit bedacht werden will: Natürlich in der Bildungspolitik, aber auch bei Wirtschaft und Arbeit, bei der Gestaltung von Innovationen, in den Parteien, in der Steuer- und Haushaltspolitik, überall.
  4. Ganz wesentlich sind Strukturen. Nur wenn in Kommunen und Verwaltungen, in Schulen und Betrieben verantwortliche Stellen existieren, die konkrete angesprochen werden können und die konkrete Maßnahmen ergreifen können, kann es zu nachhaltigen Aktivitäten kommen. Insofern wurde in vielen Bereichen die Projektorientierung zu weit getrieben.
  5. Europäische Jugendpolitik ist nicht nur Sache der EU. Eine europäisch ausgerichtete Jugendpolitik ist Aufgabe aller. Sämtliche Ebenen müssen zusammenarbeiten. Die Entwicklung gemeinsamer Ziele und die gemeinsame Umsetzung ist eine riesige Herausforderung. Die neue Jugendstrategie der EU-Kommission unter dem Titel ‚Engage. Connect. Empower‘ geht in die richtige Richtung.
  6. Dass alle politischen Ebenen mitwirken müssen, verdeutlicht insbesondere der Bereich der Schulpolitik. Europa spielt in der Bildung längst noch nicht die Rolle, die dem Thema zukommen müsste. Aber dafür ist die Union nicht zuständig.
  7. Gebraucht wird ein ständiger Dialog aller mit allen. Das Thema kann nicht an die Europäische Ebene und in eine EU-Jugendpolitik ‚ausgelagert‘ werden. Die EU wäre auch sehr überfordert. Nur ein gelingendes Zusammenspiel hilft weiter. Und dafür braucht es viel mehr Dialog, auch viel mehr ergebnisorientierten Streit. Da ist Jugendpolitik nicht anders als andere Politikfelder in Europa.

 

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz