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Noch keine Zukunft jenseits von Kandidatencastings

Ein spannender Abend war das, beim „BerlinSalon“ des CDU-Landesverbandes zum Thema „Zukunft der Volksparteien“. Vor vollbesetztem Saal und viel Hauptstadtpresse diskutierten Juso-Chef Kevin Kühnert und JU-Chef Tilman Kuban.

Beindruckend war, wie durchaus vergleichbar sie beschrieben, was unter einer Volkspartei zu verstehen sei und warum das Land Volksparteien als Produzentinnen ausgewogener, unterschiedliche Gruppen berücksichtigender Lösungen brauche.

Mehr als deutlich wurden aber auch die Unterschiede zwischen CDU und SPD. Und dass – wie der hervorragend moderierende Generalsekretär der Berliner CDU Stefan Evers zu Recht feststellte – beide nicht in der Lage waren, das Profil ihrer jeweiligen Partei auf den Punkt zu bringen, sondern sehr weit ausholen mussten.

Kuban und Kühnert begegneten einander mit viel Respekt. Beide lieferten durchaus spannende Analysen. Bezeichnenderweise waren sie sich sehr einig, dass die Grünen „natürlich“ keine Volkspartei seien.

In besonderer Erinnerung bleiben wird mir Kühnerts Beschreibung der Großen Koalition: Parteien seien ja auch nur Vereine. Insofern sei für die SPD das tollste am Sieg, dass er auch eine Niederlage für die CDU sei und umgekehrt. Wie im Revierderby Schalke gegen Borussia Dortmund. „Eine Groko ist dann aber wie eine Spielgemeinschaft. Und sich mitfreuen sollen über Erfolge des Hauptgegners, das funktioniert nicht, selbst wenn es die eigenen Erfolge sind.“

Je später der Abend, desto undifferenzierter und unreflektierter flogen dann leider die Worthülsen. Nach Kühnert muss die SPD offenbar die deutsche Bevölkerung aus der tiefen Not retten, in die irgend eine ominöse Bundesregierung sie mit einer wahnsinnigen Wirtschafts- und Sozialpolitik über die letzten zwei Jahrzehnte geführt hat. Und laut Kuban muss die Union gewappnet sein, das Land vor der Verbotspolitik links-grüner Anarchisten ohne Respekt für alles, was Deutschland ausmache, zu retten. In dieser Phase vollkommen inkonsistenten Wortbreis hätte ich mir gewünscht, die Veranstaltung wäre zuvor nach 75 Minuten beendet worden. Und mir kam der Gedanke, dass ein Problem von Union und SPD auch sein könnte, dass beide ihr Publikum mitunter für dümmer halten, als es ist.

Kühnert wies später Kuban noch darauf hin, dass er einerseits mehr Demokratie innerhalb der Partei anmahne, und andererseits den autoritären Führungsstil von Sebastian Kurz als Vorbild preise. Umgekehrt wirkte Kühnerts Art, über die SPD zu reden, geprägt von einer klaren Funktionärsperspektive mit wenig Anschluss zur Basis.

Überhaupt hat der Abend meinen Verdacht bestärkt, dass beide Volksparteien keine rechte Vorstellung davon haben, wie man einerseits den eigenen Gestaltungsanspruch einlösen will und gleichzeitig eine politisch interessiertere und kritischere Mitgliederschaft auch bei bundes- und europapolitischen Themen aktiv einzubinden und mitzunehmen gedenkt.

Wiederkehrendes Kandidatencasting erscheint mir jedenfalls als kein sinnvoller Ersatz für inhaltliche Parteiarbeit, aber weiter ist man offenbar zumindest bei der „Parteijugend“ auch gedanklich noch nicht.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz