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Ein neuer Führerschein

Bereits im Winter ist mir meine Brieftasche mit Führerschein gestohlen worden. Ich sei verpflichtet, der ausstellenden Behörde den Verlust zu melden, sagte die Polizei damals zu mir – das habe ich gemacht. Und mir möglichst bald einen neuen zu besorgen. Das habe ich versucht.

Zunächst einmal lernt man, dass der Führerschein am Erstwohnsitz auszustellen ist. Und dass es in Berlin für 3,8 Mio Einwohner dafür genau eine Behörde mit genau einem Dienstgebäude gibt.

Termine werden online vergeben. Theoretisch. Praktisch heißt das: Im entsprechenden Online-Portal sind IMMER alle verfügbaren Termine für die kommenden drei Monate schon gebucht. Am Telefon erhält man den freundlichen Rat, „um 8 oder 9 oder 10“ online zu sein. Dann könne man sich Termine schnappen, die abgesagt würden. Und die Auskunft: Mehr als 3 Monate im Voraus würden keine Termine vereinbart. „Das wäre ja absurd.“

Nach 2 Monaten regelmäßig erfolgloser Versuche, online einen Termin zu belegen, habe ich angerufen und ein bisschen gejammert. Und daran erinnert, dass ich laut Polizei verpflichtet sei, umgehend einen neuen Führerschein zu beschaffen. Ich könne ja angehalten werden und hätte dann keinen dabei.

Also bekam ich „ausnahmsweise“ einen Termin. Nur einen Monat später. Beim Besuch an „Schalter 4“ lernte ich, dass ich einen Karteiauszug der Behörde, die meinen Führerschein ursprünglich ausgestellt hat, brauche. Im Original, auf Papier, mit Siegel. Wenn ich den hätte, solle ich einen neuen Termin buchen und wiederkommen. Ich war kurz vor einem Schreikrampf.

Meine protestantische Erziehung gewann dann doch die Oberhand und ich fragte vorsichtig: Im Internet sei zu lesen gewesen, dass die zuständige Behörde bei der ursprünglich ausstellenden Behörde eine Abfrage mache und prüfe, welche Fahrerlaubnis vorliege. „Das kann ja sein, dass die da unten in Süddeutschland das so machen“, belehrte mich die Dame vom Berliner Amt. „Ich mach dit nich, ich brauch dit amtlich“. Auf meinen verzweifelten Blick hin: „Kieken se nich so. Ist doch nich mein Problem, wollen Sie nen Führerschein oder ich?“

Dazu gab es noch den Hinweis, ich solle auf der Website der Führerscheinbehörde irgendwo unten das Antragsformular bei Führerscheinverlust suchen – „das finden Sie dann schon“ -, es herunterunterladen, ausfüllen und mitbringen. „Ick hab hier wirklich jenuch zu tun.“

Mittlerweile waren gut 4 Monate vergangen. Und ich kontaktiere per Email die Kreisverwaltung in Kirchheimbolanden. Dort schickt man mir auf meine Bitte um einen Termin hin binnen 7 Minuten direkt den Karteiauszug als PDF. Ich verwies darauf, dass man in Berlin auf „Originaldokumente“ Wert lege. Antwort: „Hun se kee guder Farbdrucker? Drucken’ses aus, veknittern se’s e bisje, des sieht doch kee Mensch.“ Ach, was liebe ich die Pfalz.

Dann also wieder ein Anruf in der Berliner Puttkamer Straße. Weinerlich, verzweifelt, ich muss in den Urlaub, brauch den Führerschein… Man lernt ja dazu. Anscheinend war ich gut und überzeugend. Schnell hatte ich einen Termin schon nach 3 Wochen, habe brav das ausgefüllte „Formular bei Führerscheinverlust“, die polizeiliche Diebstahlsanzeige, den eigens auf Umschlagsformat gefalteten und total authentisch geknitterten Karteiauszug der Führerscheinbehörde des Donnersbergkreises nebst biometrischer Fotos und 50 Euro Bearbeitungsgebür (43 für den neuen Führerschein, 7 für die „Express-Bearbeitung“) über die Theke geschoben und konnte sehen, wie die Berliner Beamtin effizient und hochzufrieden stempelnd ihres Amtes waltete. Mit einem in nicht lesbarer Handschrift ausgefüllten Formular in der Hand („Abholschein“) habe ich das Gebäude dann verlassen.

Heute früh, eine Woche später, durfte ich das gute Stück abholen. Lustige Notiz am Rande: Am Einlass interessierte der ‚Abholschein‘ nicht, ich brauchte die mir Wochen vorher per Email zugeteilte „Vorgangsnummer“, die sich zum Glück in meinem Mobiltelefon fand. Dass die Dame an Schalter 4 strahlte, wie reibungslos und schnell wir das doch nun „gemeinsam“ hinbekommen hätten, machte mich sprachlos.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz