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Verantwortungsvergessenheit

Wer jemals Verhandlungen mit vielen Parteien geführt hat, weiß, dass Verlässlichkeit wichtig ist, dass das Wort aller gelten muss, wenn man nicht im Kreis laufen will. Man signalisiert was man mit trägt und wo man Probleme sieht, aus der der Vorsitz herauslesen kann, was mehrheitsfähig ist und wo mit welchen Verhandlungspartner noch welche Probleme aus dem Weg zu räumen sind.

Die Bundesregierung hat im November einem „gemeinsamen Standpunkt“ des Ministerrates zum EU-Lieferkettengesetz zugestimmt; auf dieser Basis konnte dann mit dem Europäischen Parlament eine Einigung herbeigeführt werden.

Ähnlich wie der Verkehrsminister im Herbst beim Verbrennungsmotor zog nun der zuständige Justizminister Buschmann das gegebene Wort der Bundesregierung zurück. Noch doller: Mit persönlichen Briefen an die Minister der anderen Staaten griff er entgegen der Gepflogenheiten in Brüssel in die Arbeit des amtierenden belgischen Vorsitzenden ein, drängte diesen zur Seite.

Die großen deutschen Wirtschaftsverbände unterstützen überwiegend das EU-Gesetz, weil dann auch im Rest der EU ähnliche Regelungen in Kraft kämen, wie über ein deutsches Gesetz (mit Zustimmung der FDP beschlossen!) bereits bei uns in Kraft. So würden bestehende Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen beseitigt.

Offenbar ist der FDP aber präpotentes Gehabe wichtiger, als Ergebnisse. Mit jeder Aktion dieser Art ist das Wort der Bundesregierung weniger wert. Deutschland ist so mächtig, in der EU jede Einigung massiv beeinflussen und eigene Interessen unterbringen zu können. Wenn deutsche Minister am Ende theatralisch und allein aus Parteikalkül zur Notbremse greifen, wird man schwächere Partner, zumal populistische geführte Staaten, kaum davon abhalten können, europäische Politik unmöglich zu machen zugunsten Wichtigtuerei. Nebenbei stellt der Justizminister den Kanzler bloß, führt vor, dass der keine Autorität hat.

Die FDP ist bei allem ihrem Handeln nur noch getrieben von (begründeter!) Untergangsahnung und sucht jede Gelegenheit, auffällig zu werden, ganz egal zu welchem Preis. Seriöse Regierungsarbeit sieht sie nicht mehr als Möglichkeit. Damit ist einer ehemals ehrenwerten Partei mittlerweile jede Seriosität und Verlässlichkeit und damit zur Besetzung staatstragender Posten mit loyalem Personen abhanden gekommen. Wer auf diesen Koalitionspartner angewiesen ist, ist gestraft.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz