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Vieles liegt dort im Argen – aber der € bringt Bulgarien voran

Die Beschlüsse zur Euro-Einführung in Bulgarien schlagen hohe Wellen. Sie ergeben rational nicht wirklich Sinn, Ihre Intensität finde ich aber gerade deshalb besonders beunruhigend. Hierzu meine Gedanken.

Was für die wacklige bulgarische Regierung ein Erfolg ist, auf den seit Jahren hingearbeitet wurde und für den die Bedenken vieler EU-Partner mühsam und über Jahre geduldig besänftigt werden mussten, erscheint in bulgarischen Medien mitunter als eine Niederlage. Offenbar gelingt es auch hier (russischer?) Propaganda, das Geschehen ins Gegenteil zu verkehren.

Mit Erschrecken stelle ich fest, dass mir persönlich Bekannte, die vor 10, 15, 20 Jahren überzeugte Europäer waren und die die europäische Integration als große Chance für ihr Land und nicht zuletzt sich selbst gesehen haben, nun nationalistische Propaganda verbreiten und von einer feindlichen Übernahme sprechen.

Besonders grotesk finde ich das, weil von einem „Souveränitätsverlust“ keine Rede sein kann. Die monetäre Unabhängigkeit hat Bulgarien 1997 aufgegeben, als es damals den Lew an die DM koppelte, 1 DM = 1 Lew. Dieser Kurs wurde seither gehalten, 1 Euro ist heute 1,95583 Lew. Eine Zentralbank, die einen fixen Wechselkurs hält, muss alles andere diesem Ziel unterwerfen und damit die Politik der Leitzentralbank in Frankfurt übernehmen. Bulgarien kann seit 28 Jahren keine eigene Geldpolitik mehr betreiben, verliert jetzt entsprechend nichts.

Eher stimmt das Gegenteil: Mit der Währungsunion entsendet Bulgarien den Präsidenten der Nationalbank künftig in den Rat der EZB. Der sitzt also mit am Tisch und hat Einfluss auf Dinge, die er bisher einfach hinnehmen musste.

Die Länder, die den Schritt solide vorbereitet haben, konnten massiv attraktiver werden für internationale Investitionen, besonders gut gelungen ist das Estland und der Slowakei. Slowenien hat außerdem gezeigt, wie man durch gute Gesetzgebung und doppelte Preisausweisung unmittelbar vor und nach der Umstellung übermäßige Preiserhöhungen und damit einen Inflationsschub unterbinden kann.

Die Europäische Bankenaufsicht sollte beim aktuellen Zustand staatlicher Institutionen voraussichtlich eher dafür sorgen, dass bulgarische Sparer künftig besser schlafen können. Und im Falle von Krisenanzeichen und Spekulationen gegen Bulgarien werden künftig die Zentralbank (OMT) und der ESM unmittelbar stabilisierend eingreifen, wo das fragile Land bisher um Unterstützung zittern müsste.

Ich teile die Sorge über den Zustand des bulgarischen Staates, der Institutionen, auch die Zweifel an vielen politisch Handelnden. Dafür kann man aber die EU-Institutionen oder die Partnerstaaten beim besten Willen nicht verantwortlich machen, auch wenn erschreckend viele Schreihälse das behaupten. Für den Zustand Bulgariens müssen Bulgaren die Verantwortung übernehmen.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz