Meine Gedanken zu einem Interview mit Jörg Babarowski im podcast NZZ.:

Baberowski ist ein sehr kundiger, gut lesbarer Historiker zu Russland. Umso unverständlicher ist mir, was er seit 2014 veranstaltet – zu Lasten seiner Reputation.
Aus meiner Sicht redet er sich als Wissenschaftler um Kopf und Kragen. Macht er sich willig zum Sprecher des Kreml? Oder passiert ihm das? Aus Geltungsbedürfnis? Naivität? Das ist irgendwie schwer nachvollziehbar.
Natürlich gibt es unterschiedliche Werte und natürlich muss man da in Europa auch Unterschiede aushalten. Wie auch in Deutschland oder Tauberbischofsheim. Oder im Stadtrat, der Schulklasse, der Nachbarschaft, der Familie. Genau darum geht es in Europa.
Mord und Vergewaltigungen in der Nachbarschaft sind aber nicht das Ausleben „anderer Werte“, was man aus Gründen der Völkerverständigung im Sinne kulturellen Reichtums gut finden kann, wie er das hier vertritt. Und der Anspruch, mit einem Nachbarvolk machen zu können, was man will, auch nicht. Es gibt keine Sphäre, in der sich Menschen jedem Unrecht Russlands zu fügen haben, auch nicht, weil Russland über Generationen gewöhnt ist, sich in dieser Region mit Terror durchzusetzen.
Den Frieden stört nicht, wer auf minimale Standards im Umgang mit Menschen besteht. Sondern wer den Krieg, die Aggression herunterredet, rechtfertigt. Oder anders: Gerade das Zusammenleben In Unterschiedlichkeit setzt voraus , dass man andere sein lässt und leben lässt, wie sie wollen. Und dass Zwang und Gewalt tabu sind.
Völlig unhistorisch ist, wenn er so tut, als sei der Kalte Krieg durch Nettigkeit zum Ende gekommen. Vereinbarungen mit dem Osten war möglich, weil der Westen aus einer Position der Stärke verhandelt hat. Und zusammengebrochen ist die Sowjetunion, weil sie im gewollten Wettrüsten nicht mithalten konnte, sich übernommen hat. Man mag daraus unterschiedliche Schlüsse ziehen oder die Erfahrung für mehr oder weniger relevant halten – sie zu leugnen ist aber eines Historikers unwürdig.
Völlig absurd ist übrigens, dass B. es für unplausibel hält, dass Russland weitergehen könnte. Dasselbe hat er bei der Ukraine gesagt (und wiederholt er) und sich geirrt. Dass man Moldau und das Baltikum zur Russland zustehenden Sphäre rechnet, bekundet man in Moskau wöchentlich – und er stellt das einfach in Abrede. Die Drohungen gegen Warschau und Berlin werden zusätzlich regelmäßig klar formuliert. Das zu ignorieren ist schon ziemlich anstrengend.