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Warum Putin gestoppt werden muss

Es gibt ja tatsächlich Menschen, die lesen, was ich teile und schreibe auf Facebook. Gespräche der letzten Tage haben mir gezeigt, dass meine Äußerungen schockieren. Die nicht zu mir zu passen scheinen. Ich möchte versuchen, das aufzuklären.

Ich habe 1991 ganz euphorisch nach dem Ende des Kalten Krieges meinen Antrag zur „Kriegsverweigerung“ geschrieben. Damals gab es in Deutschland für junge Männer eine Wehrpflicht, die ich verweigerte, um für ein Jahr in einem Kinderheim zu arbeiten. Ich wollte glauben, dass es möglich sein müsse, militärische Mittel vermeidbar zu machen. Dass sich Interessen unter vernunftbegabten Menschen anders ausgleichen lassen. Dass die Geschichte eindeutig zeige, dass bei Kriegen nur alle verlieren. Bis heute halte ich das für erwiesen, für eindeutig.

Schon wenige Jahre später hielt ich es aber für unerträglich, dass wir uns denen, die auf dem Balkan Krieg und Gewalt als Mittel der Politik einsetzten, nicht wirksam in den Weg stellen konnten. Dass Menschen in Massen abgeschlachtet, in Jahrhunderten gewachsener kultureller Reichtum in Kürze zertrümmert und das Verhältnis von Völkerschaften gezielt vergiftet werden konnten.

Ich bin deshalb zutiefst überzeugt, dass das „Gewaltmonopol“ bei den Vereinten Nationen liegen muss. Dass wir nicht auf die Einsicht zählen dürfen, dass niemand so dumm ist, Waffen in die Hand zu nehmen – sondern dass man die Waffen auch aus der Hand schlagen können muss, wo sie gegen die Schwächeren und gegen Völkerrecht erhoben werden. Heute sind wir weit von dieser Situation entfernt, viel weiter entfernt, als wir schon glaubten. Und nur Selbstkritik unter allen Mächten auf dem Globus und der Aufbau neuen Vertrauens wird uns dem näher bringen können. Ein ehrenhaftes Anliegen, das nichts an Bedeutung verloren hat. Und auch auf uns, auf Europa, auf den Westen, kommt da einiges an Aufarbeitung unserer Fehler über die letzten Jahrzehnte zu.

Für den Moment sind wir aber in der Welt, wie sie ist. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass jemand noch einmal erfolgreiches Regieren damit gleichsetzen würde, anderen mit brutaler Gewalt den eigenen Willen aufzuzwingen. Dass noch einmal Zehntausende planvoll hingemetzelt würden für „nationale Interessen“. Ich habe mir – meine westliche Prägung naiverweise verallgemeinernd – nicht vorstellen könne, dass sich die persönlichen Möglichkeiten, sozialer und gesellschaftlicher Fortschritt, auch die Aussicht auf Wohlstand, ernsthaft durch nationalen Wahn substituieren lassen. Und ich hatte mir nicht vorstellen können, dass es möglich sein würde, einen solchen Hass auf ein Nachbarvolk heranzuzüchten. Dass der feste Vorsatz der Ukrainer, sich Demokratie, Rechtstaat und Wohlstand in Freiheit zu erkämpfen, in Russland Aggressivität befeuert. Phantasien, jene bestrafen zu müssen, die einen „verlassen“ wollen, die ein besseres Leben anstreben.

Was diesen Krieg befeuert, liegt jenseits jeder Rationalität. Und solange diese Motive das Handeln bestimmen, wird ein Interessenausgleich nicht möglich sein. Ich kann ihn mir nicht denken. Und mir konnte bisher niemand überzeugend erklären, wie er erreicht werden könnte.

Also muss die Gewalt gestoppt werden. Putin beeinflusst man nur, wenn man ihm entschieden entgegentritt. Wo Taktieren nicht mehr weiterhilft, wie beim Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens, erkennt er Fakten an, nimmt er sie hin.

Und deshalb bin ich zutiefst davon überzeugt, dass wir den Krieg dann am kürzesten halten, wenn wir Putin möglichst keine Chance zum Taktieren lassen durch ambivalente Situationen. Dass umso weniger Gewalt und Zerstörung passieren werden, je zügiger und entschlossen wir eine Situation herstellen, in der Kriegführung für Putin nicht mehr aussichtsreich erscheint.

Deshalb leide ich daran, wie Scholz agiert: Dass er zaudert und monatelang verzögert, was er dann regelmässig doch tun muss – um den Preis unnötiger Chancen Putins auf Tötung vieler weiterer Menschen. Dass er durch einsames, unsolidarisches Verhalten und das Verweigern eines engen Schulterschlusses vor allem mit Polen und Frankreich unsere Position schwächt.

Deshalb bin ich überzeugt davon, dass man das Risiko für Putin so groß machen muss, wie irgend möglich. Dass man keine Optionen vom Tisch nehmen darf. Dass das, was gut gemeint Vertrauen bauen soll, nur bewirkt, dass Putin darin vertrauen kann, dass wir am Ende inkonsequent und halbherzig sind, übertölpert werden können. Dass wir ihm zwar quantitativ in fast jeder Hinsicht weit überlegen sind, dies aber aufgrund von Wunschdenken und Naivität nicht ausspielen werden. Er glaubt, dass Ruchlosigkeit und Brutalität sich durchsetzen werden. Wenn er damit durchkommt, werden ihm andere nacheifern. Und diese Gefahr ist sehr real.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz