
Gesteuert von der AfD wird in den sozialen Medien Häme gestreut über die Bundesregierung, die doch letztlich irrelevant sei – und sich zu wichtig nehme bzgl. europäischen und globalen Einflusses. Ich glaube, dass man hier gegen etwas anschreit, das durchaus gesehen wird und gezielt untergraben werden soll. Ich nenne mal drei Punkte, an denen zu sehen ist, dass die Arbeit der Bundesregierung von allergrößter Bedeutung ist.
1.) Die Vordenker einer post-demokratischen, post-liberalen, post-rechtsstaatlichen Ordnung träumen von einer Autokratie, die mithilfe des Netzes und mit Unterstützung von KI die öffentliche Meinung steuert, das Volk lenkt und Widerstand untergräbt. Den Datenkraken in Kalifornien steht Washington längst nicht mehr im Weg, dort nutzt man Trump längst im eigenen Sinn und platziert Vance für die Zukunft. Der Hauptgegner aus Sicht von Thiel und Konsorten ist die Europäische Union, sind die Brüsseler Regelungen im digitalen Raum. Daher die Hassreden. Und an diesem Punkt zeigt sich, dass wir Europäer tatsächlich mächtig sind, weil nur wir im Netz effektiv regeln können. Dafür, dass wir das können, muss unsere EU funktionieren. Sie muss regulativ und in der Handelspolitik stark sein. Und für beides hängt es entscheidend auch von der Bundesregierung ab – wo die vorherige keine glückliche Rolle gespielt hatte.
2.) Putin wird den Zusammenhalt der Nato testen, solange begründete Zweifel bestehen. Auf dem Kontinent liegt auch hier der Schlüssel in Berlin: Wenn wir das Prinzip der Verteidigungsgemeinschaft ernst nehmen und unsere Möglichkeiten in den Dienst der Staatengemeinschaft stellen, dann besteht Aussicht auf Erfolg (und umgekehrt!). Dann besteht Grund zur Zuversicht und dann wird es aus russischer Sicht irrational, uns anzugreifen. Nicht nur der Westen, auch Europa allein ist ökonomisch und mit Blick auf die Ressourcen Russland haushoch überlegen – es hängt allein am Willen, eigene Interessen durchzusetzen. (Das erklärt auch, warum wir im Zentrum russischer Destabilisierungs- und Missinformationsbemühungen stehen).
3.) Die Demokratie ist weltweit unter Druck. Und sie ist es auch in Europa. Wenn wir in der Mitte des Kontinents dafür sorgen, dass man der Verwaltung und Polizei weiterhin vertrauen kann, weil sie an Recht und Gesetz gebunden sind, wenn es weiterhin möglich ist, vor Gericht auch gegen staatliche Institutionen gewinnen zu können, wenn Medien weiterhin veröffentlichen, was den Machthabern nicht gefällt, dann hat das Signal, dann schafft das Zuversicht auch für unsere vielen kleineren Nachbarn, dann können wir uns gegenseitig unterhaken. Und ob die liberale Demokratie sich in Europa als widerstandsfähig erweist oder nicht, hat globale Bedeutung. Seit eineinhalb Jahrtausenden prägt Europa, was in der Mitte passiert (oder nicht), da wo heute Deutschland ist. Das wird so bleiben. Und das bedeutet für uns Verantwortung.