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Sehnsucht nach der heilen Welt

Schloss Wendgräben, ein Seminar der Konrad-Adenauer-Stiftung. Meine Aufgabe: „Ursachen und Hintergründe der Finanz- und Wirtschaftskrise“ in 180 Minuten. Das Publikum bestand aus einem guten Dutzend hochinteressierter Herren, darunter zwei mit erkennbar grundsätzlichen Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Europäischen Währungsunion. Soweit, so erwartbar.

Nach einer Rekapitulation der Krise, und zwar des Verlaufes in dem Sie in das Bewusstsein der handelnden Politiker und der Öffentlichkeit drang und der sich daraus ergebenden Reaktionen, habe ich im zweiten Teil systematisch aufgerollt, welche Schwächen in der Konstruktion der Währungsunion bestanden (und teilweise noch bestehen) und warum diese (obwohl zumindest teilweise bekannt) so hingenommen worden waren.

Eine hitzige Diskussion entzündete sich dann aber an der Frage, in wie fern die Situation vor Schaffung der Währungsunion stabiler, harmonischer und unproblematischer gewesen sei. Schwer verständlich war die blanke Wut, mit der einzelne auf die Darlegung der Spannungen im europäischen Währungsgefüge in den 1980ern und Anfang der 1990er reagierten. Auf die schwierige Situation, in die die „Sonderkonjunktur“ in Deutschland nach der Wiedervereinigung auch im loseren Währungsverbund die Partner brachte, und die erheblichen Anstrengungen, die auch seitens der Zentralbanken erforderlich waren, um der Lage wieder Herr zu werden.

Und immer wieder geistert sie dann schnell herum, die irrige Vorstellung, früher habe die Bundesbank die Situation der Partner doch einfach ignorieren können. Jeder solle sich selbst der nächste sein. Als hätte es nicht fortwährend zu Spannungen geführt, dass die Bundesbank rechtlich verpflichtet war, ihre Politik allein an Deutschland auszurichten, de facto aber die Währungspolitik für den ganzen Kontinent gemacht hat. Mit massiven ökonomischen Rückwirkungen auf Deutschland. Und noch massiveren politischen Rückwirkungen auf die Bundesregierung, die sich institutionell wegducken konnte, aber eben doch angegriffen wurde.

Die Währungsunion hat Ordnung ins Gefüge gebracht, die faktische und die rechtliche Kompetenz der handelnden Notenbank in Deckung gebracht. Mit diesem Schritt wollte Deutschland signalisieren, dass es an einer institutionell verfassten ökonomischen Dominanz des Kontinents kein Interesse hat. Auch um die Angst vor noch größerer Macht eines wiedervereinigten Deutschlands zu zerstreuen.

Die von vielen gehegte Erwartung, die anderen könnten nun in gemeinsamen Institutionen den Deutschen ihre Währungspolitik aufzwingen, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr offenbarte Deutschland in der Krise eine eher noch gewachsene Macht. Allerdings müssen Bundesregierung und Bundesbank nun die Partner überzeugen, müssen andere von ihren Vorstellungen überzeugen und hierfür Mehrheiten organisieren, anstatt die Interessen anderer einfach übergeben und sie vor vollendete Tatsachen stellen zu können. Und dies ist im gesamteuropäischen Interesse, weil es die Formulierung wirklich tragfähiger und akzeptabler Ansätze fördert.

Scheinlösungen mögen bequem sein. Aber sie helfen nicht weiter.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz

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