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Der Euro-Ausstieg ist möglich?

Europäische Zentralbank Frankfurt am Main Foto: epizentrum | Creative Commons Share Alike 3.0 | Wikipedia

Basierend auf intensiven Recherchen bei Experten verschiedenster Universitäten und Institute beschreibt Patrick Bernau in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung pünktlich zu Jahresbeginn ein Ausstiegsszenario aus dem Euro. Die wichtigste Mitteilung dabei: Aussteigen ist möglich.

Bernaus Beitrag legt überzeugend dar, was für eine Auflösung der Währungsunion wichtig wäre: Sie müsste plötzlich kommen. Sie müsste einvernehmlich beschlossen werden, um Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe zu vermeiden. Sie müsste begleitet werden von rigiden Grenzkontrollen. Unternehmen und Banken würden europaweit sehr viel Geld verlieren. „Also wird für den Euro-Ausstieg noch einmal ein riesiger Rettungsschirm nötig, um die Wirtschaft vor dem Zusammenbruch zu retten.“ Die Gesamtkosten werden „in Billionen zu beziffern sein; Genaueres lässt sich nicht sagen“. Dazu kämen für die Bundesbank (und andere Notenbanken) massive Verluste aus der Abschreibung von Forderungen an die Notenbanken der Peripheriestaaten.

Was wäre gewonnen? Die aktuellen finanziellen Probleme der Eurostaaten blieben komplett erhalten und wären zusätzlich zu den Ausstiegskosten in den Griff zu bekommen. In Sachen Wettbewerbsfähigkeit würden die Karten komplett neu gemischt. In Starkwährungsländern würden sich Importe verbilligen und Exporte verteuern, was mit Blick zum Beispiel auf die deutsche Wirtschaftsstruktur keine ermutigende Perspektive ist. In den Peripherieländern wären danach umgekehrt Importe sehr teuer und Exporte würden begünstigt – was laut Lehrbuch zum Wirtschaftsaufschwung beitragen kann, bei fehlenden oder nicht wettbewerbsfähigen Industrien aber nicht notwendig muss.

Wenn, wie hier überzeugend dargelegt, eine Auflösung der Währungsunion keinen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Krise leisten kann, weil zu den bestehenden Schulden lediglich immense zusätzliche Kosten hinzukämen, dann rechnet sie sich schlicht und einfach nicht – und zwar für keinen der Beteiligten. Ökonomisch betrachtet könnte man es damit schon bewenden lassen.

Es bleibt dann allerdings noch die politische Dimension des ganzen. Um die hohen Ausstiegskosten zu rechtfertigen, müsse die Politik die Schuld dann eben „auf die Finanzmärkte zu schieben“, so Bernau. Welches Vertrauen aber verdienten Regierungen und Parlamente, die angesichts eines solchen Schlamassels die Hände in Unschuld wüschen und andere für das eigene fatale Wunschdenken, für mangelnde Konsequenz und für fehlenden Gestaltungswillen verantwortlich machten?

Weiter schreibt er, die EU könne dann immerhin zur „Friedensunion“ werden, „die künftig stärker in internationalen Verhandlungen präsent sein wird und dort nebenbei die Interessen der europäischen Staaten vertritt.“

Was für eine Augenwischerei! Wie sollten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union einander weiterhin vertrauen, wenn in einer essentiellen Krise gemachte Zusagen aufgekündigt würden und entgegen jahrzehntelang gewachsener Praxis große Herausforderungen zu Lasten der Schwachen nicht gemeinsam besprochen und angegangen würden? Wenn die Starken selbst um den Preis der Selbstschädigung die Zusammenarbeit aufkündigten?

Wer in aller Welt sollte ein sich so gerierendes Europa noch ernst nehmen und seiner Entschlossenheit zur Verfolgung eigener Interessen, zur Mitgestaltung globaler Wirtschaftsregeln oder zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten Glauben schenken?

Natürlich ist ein Euro-Ausstieg machbar. Man sollte es aber vermeiden, Torheiten zu begehen, nur weil sie möglich sind. Auch 2012 sollten wir uns darauf konzentrieren, die Probleme anzugehen, um die wir uns auch durch Schaffung zusätzlicher Schwierigkeiten nicht würden herummogeln können.

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Autor

Diplom-Ökonom, Diplom-Politologe, MSc. in European Accounting and Finance Geschäftsführer bei polyspektiv, Vorstandsmitglied bei der EBD Wohnhaft in Berlin und in der Pfalz